Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Italien plant die „Mutter aller Reformen“
Als Matteo Renzi im Frühjahr 2014 in Italien die Regierung übernahm, schickte er sich an, sein Land umzukrempeln. „Il rottamatore“(Der Verschrotter) nannte er sich – einer, der mit überkommenen Strukturen aufräumt. Eine Reform pro Monat kündigte er an. So viele sind es nicht geworden, doch nun steht die – nach Renzis Worten – „Mutter aller Reformen“an: der Umbau des ineffizienten parlamentarischen Systems.
An diesem Dienstag stimmt der Senat in zweiter Lesung über eine Verfassungsreform ab, mit der Größe und Kompetenz der zweiten Kam- mer des italienischen Parlaments drastisch beschnitten werden. Ziel ist es, dass sich Abgeordnetenhaus und Senat nicht mehr gegenseitig blockieren, wie es in der Vergangenheit häufig vorkam.
Nach den Parlamentswahlen 2013 drohte Italien die Unregierbarkeit. Unklare Mehrheitsverhältnisse in beiden Kammern sorgten für ein wochenlanges Chaos. Erst mit dem Eingreifen des damaligen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano befreite sich das Land aus der Patt-Situation.
Mit einer Senatsreform will Renzi Italien ein Stück weit regierbarer machen. Bisher beschließen Abgeordnetenhaus (630 Sitze) und Senat (315 Sitze) Gesetze zusammen, und gemeinsam sprechen sie auch der Re- gierung das Vertrauen aus. Sind sie sich nicht einig, was in der Vergangenheit oft vorkam, ist Stillstand die Folge. Die Koalition unter Renzi ist bereits die 65. italienische Nachkriegsregierung.
Der Weg zur Senatsreform war nicht leicht. Lange gab es Widerstand aus dem linken Flügel von Renzis Demokratischer Partei (PD). Renzi kann auch auf Stimmen aus dem Lager des früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi zählen. Künftig soll der Senat nur noch 100 Sitze haben, nur noch für eine begrenzte Zahl von Gesetzen zuständig sein und bei Vertrauensabstimmungen nicht mehr gefragt werden.
Zuletzt lief manches recht gut für Renzi. Die Wirtschaft kommt nach Jahren der Rezession wieder in Schwung, der Export wächst, die Arbeitslosigkeit sinkt. Die Senatsreform wäre ein Meilenstein in der Amtszeit des 40 Jahre alten Florentiners. Mit der Verfassungsreform werden auch einige Kompetenzen in den Bereichen Verkehr, Energie und Infrastruktur von den Regionen an die Zentralregierung verlagert. Dies soll Genehmigungsverfahren bei Investitionen erleichtern.
Kritiker wie der Analyst Francesco Galietti sehen den Föderalismus geschwächt. Er verweist zudem auf häufige Parteiwechsel der Volksvertreter. Seit Beginn der Legislaturperiode 2013 haben 147 von 630 Abgeordneten und 150 von 315 Senatoren die Fahne gewechselt. (dpa)