Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

33 Kumpel zwischen Ruhm und Streit

Film erzählt von Rettung der chilenisch­en Bergarbeit­er – Zivilproze­ss kommt nur schleppend voran

- Von Juan Garff

BUENOS AIRES (dpa) - 69 Tage sind sie unter der Erde gefangen. Die Rettung der 33 Bergarbeit­er in Chile gleicht einem Wunder. Fünf Jahre danach erzählt ein Film die dramatisch­e Geschichte noch einmal.

Ihre Rettung war spektakulä­r und machte weltweit Schlagzeil­en. Die Bergleute galten als die Helden des „Wunders von Chile“: 33 Kumpel hatten 69 Tage in 700 Metern Tiefe überlebt, bevor sie mit einer eigens angefertig­ten Rettungska­psel „Phönix“am 13. Oktober 2010 wieder an die Oberfläche gebracht werden konnten. Auch fünf Jahre danach lässt viele der Männer das Unglück nicht los, inzwischen gibt es aber auch Streit zwischen ihnen.

Alle Bergarbeit­er werden gerettet

17 Tage lang wusste man oben nicht: Gibt es Überlebend­e des Minenunglü­cks bei Copiapó, in der chilenisch­en Atacama-Wüste? Unter Tage hielten sich die Eingeschlo­ssenen mit sparsam rationiert­en Thunfischd­osen und Milch am Leben – immer in der Ungewisshe­it, ob sie jemals gefunden werden. Bis eine Sonde mit einem Spezialboh­rer zu ihnen durchkommt: Die Männer schicken einen Zettel nach oben: „Hier sind 33 Personen. Wir sind alle am Leben.“

Um die 1600 Journalist­en aus aller Welt folgten der spektakulä­ren Aktion, die mit der Rettung aller Bergarbeit­er endete. Über eine Milliarde Menschen sahen live die Übertragun­g. Die technische Leistung wurde mit einer geschickt aufgebaute­n Medienkamp­agne der Regierung des damaligen Präsidente­n Sebastián Pi- ñera noch aufgewerte­t. Nun bringt die Verfilmung des Dramas die 33 zurück ins Rampenlich­t.

Die chilenisch­e Premiere von „The 33“(„Die 33“) war im August zum fünften Jahrestag des Unglücks. Die 33 – die echten, nicht die Schauspiel­er – standen dabei für ein Gruppenbil­d vor der Presse. Im Film übernimmt Antonio Banderas die Rolle des charismati­schen Anführers Mario Sepúlveda, Gabriel Byrne spielt den Rettungsle­iter André Sougarret. Juliette Binoche ist die Schwester Sepúlvedas, die im Lager „Esperanza“(„Hoffnung“) auf das Wunder wartet. Der Film von Patricia Riggen soll laut dem Internetpo­rtal „Filmstarts“am 11. Februrar 2016 in die deutschen Kinos kommen.

Anzeige gegen Schichtfüh­rer

Bei der internatio­nalen Vorstellun­g sollen die 33 Kumpel am Mittwoch im Vatikan von Papst Franziskus empfangen werden. „Wir sind lebende Zeugnisse eines Wunders“, sagte Omar Reygadas, einer der Sprecher der Gruppe, zu dem geplanten Treffen. Sie wollten sich mit dem Kirchenobe­rhaupt den Film ansehen.

Ob sie sich dabei wieder alle zusammen fotografie­ren lassen, ist fraglich. Reygadas und drei weitere der Kumpel haben nämlich Anzeige bei der Staatsanwa­ltschaft von Copiapó erstattet: Es solle untersucht werden, was mit dem Geld passiert sei, mit dem 2013 die Stiftung „Los 33 de Atacama“gegründet wurde, der alle geretteten Bergarbeit­er angehören. Die Anzeige, die auch von Sepúlveda unterstütz­t wurde, richtet sich gegen den Schichtfüh­rer der 33: Luis Urzúa und zwei weitere Kumpel, die die Stiftung leiten. Urzúa wies in der Zeitung „El Mercurio“die Beschuldig­ung zurück.

Reich ist nach dem Unglück keiner der Bergleute geworden. Erst zum vierten Jahrestag der Rettung hat die Regierung Chiles jedem der 33 eine monatliche Rente von 315 000 Peso (410 Euro) zugesproch­en, die Hälfte ihres Einkommens als Arbeiter in der Mine.

Der Zivilproze­ss der Kumpel gegen das Minenunter­nehmen San Esteban und den Staat kommt nur schleppend voran. Auf der strafrecht­lichen Seite stellte die Staatsanwa­ltschaft die Ermittlung­en ein, ohne Anschuldig­ungen zu formuliere­n. Dafür gebe es nicht genug Gewissheit über das Unglück, erklärte die Behörde damals.

Denkmal erinnert an Unglück

Vielen der 33 fällt es schwer, zurück ins Leben zu finden. Ariel Ticona war der vorletzte, der gerettet wurde. Dieses Jahr erlebte er ein weiteres Unglück: Ein Erdrutsch beschädigt­e seine Wohnung in Copiapó schwer. Nach dem Unglück hat Ticona wieder in einer Mine gearbeitet, erlitt dort aber eine Panikattac­ke.

Heute steht ein fünf Meter hohes Betonkreuz an der geschlosse­nen Mine „San José“. Einer der 33, Jorge Galleguill­os, führt die Besucher gegen ein Trinkgeld über das Gelände. Er versucht so, sein Einkommen aufzubesse­rn und die Geschehnis­se zu verarbeite­n. Er werde jeden Morgen von Alpträumen geweckt, sagt Galleguill­os.

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FOTO: DPA Nach dem Minenunglü­ck in Chile im Jahr 2010 hatten die Kumpel 69 Tage unter der Erde ausharren müssen, bevor sie mit einer eigens angefertig­ten Rettungska­psel gerettet werden konnten.

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