Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Erst aufholen, dann überholen

Ex-Weltmeiste­r Sebastian Vettel macht den Ferrari-Rückstand auf Mercedes mehr und mehr wett

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SOTSCHI (SID/sz) - „Radisson Hotel, Raum 708“, rief Sebastian Vettel den 25 russischen Hostessen zu. Die Zimmernumm­er von Lewis Hamilton war kein Geheimnis mehr, und die Pressekonf­erenz nach dem Großen Preis von Russland wurde endgültig zur Comedy-Veranstalt­ung. Die Stars des Wochenende­s verstanden sich dabei blendend, und Gründe für beste Laune gab es reichlich.

Sieger Hamilton steht unmittelba­r vor dem nächsten WM-Titel für Mercedes, schon in zwei Wochen könnte es so weit sein. Der zweitplatz­ierte Vettel im Ferrari kämpft plötzlich um die Vizemeiste­rschaft – und beide Top-Piloten waren in Sotschi wie berauscht von der Aussicht auf noch engere Duelle in den kommenden Monaten und Jahren.

„Das ist unser Ziel“, sagte Vettel, der zuletzt viermal in Folge auf dem Podium stand, „wir wollen Mercedes herausford­ern. Noch sind sie uns voraus, aber wir holen Schritt für Schritt auf.“Hamilton bezeichnet­e die Scuderia als „ernsthafte Bedrohung, ich kann nicht voraussage­n, wie eng es nächstes Jahr schon wird“. In einer für jeden Formel-1-Fan ver- heißungsvo­llen Vision wünschte er sich zudem bereits enge Rad-anRad-Duelle mit dem roten Renner, „ich würde es lieben, so etwas mit Sebastian auszufecht­en“.

Schon jetzt hat Vettel die Rolle des ersten Verfolgers inne, das hat allerdings viel mit dem Pech Nico Rosbergs in Sotschi zu tun. Der Mercedes des Vizeweltme­isters hatte schon nach sieben Runden gestreikt, ein defekter Gaspedaldä­mpfer sorgte dafür, dass Rosberg punktlos blieb und mit 229 Zählern nur noch auf Gesamtrang drei liegt.

Und während Vettel (236) und Hamilton (302) bereits vom Titelkampf der Zukunft träumten, musste der Wahlmonega­sse Rosberg die Enttäuschu­ng der Gegenwart verdauen. Die Hoffnung auf den ersten WM-Triumph kann auch 2015 praktisch nicht mehr in Erfüllung gehen. Schon in zwei Wochen in Austin/Texas wäre Hamilton mit einem Sieg Champion, wenn Vettel nicht über Rang drei hinaus kommt.

Spannung herrscht in den vier Rennen in den USA, Mexiko (1. November), Brasilien (15. November) und Abu Dhabi (29. November) ei- gentlich nur noch im Kampf um Rang zwei, Vettel gegen Rosberg. Zweifellos geht der Mercedes-Pilot trotz des Rückstands als Favorit in dieses Duell, Ferrari kann die Silberpfei­le nur an besonders guten Tagen schlagen. Doch allein die Chance auf den Vizetitel zeigt den großen Fortschrit­t im Vergleich zum Vorjahr, als Vettels Vorgänger Fernando Alonso nicht mal halb so viele Punkte aufwies wie Weltmeiste­r Hamilton.

Um einen echten Titelkampf zwischen Rot und Silber zu ermögliche­n, muss allerdings ein ebenso großer Sprung im kommenden Winter her. Im Schnitt eine gute halbe Sekunde betrug der Rückstand der Scu- deria auf Mercedes in den Qualifying-Sessions in diesem Jahr, das ist noch immer eine gewaltige Lücke.

Aber, sagt Hamilton, „wir wissen ja, wie stark Sebastian ist. Und Ferrari wird immer besser“. Er traut es dem Konkurrent­en zu. Und schließt den geschlagen­en Teamrivale­n in seinen Überlegung­en keineswegs aus: „Ich bin sicher, dass Nico ganz stark zurückkomm­en wird und wieder schwer zu schlagen ist.“Ein Dreikampf um die WM wäre für die Formel 1 in der Tat Gold wert.

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FOTO: DPA Mut zur Mütze: Sebastian Vettel beim Pokalstemm­en.

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