Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Der beschwerliche Weg zum Jubelsommer
Nach der holprigen Qualifikation geloben die DFB-Stars Besserung für die EM
(SID/dpa/jos) - Ein enttäuschendes 0:1 in Irland, ein erschreckendes 2:1 gegen Georgien und alles in allem eine EM-Qualifikation mit Hängen und Würgen – Gründe genug für den Mannschaftskapitän, einen offenen Brief an die beunruhigten Anhänger zu richten. „Unser Fokus gilt nur der Zukunft und Frankreich im Jahr 2016. In 245 Tagen wird die EM eröffnet, in 275 Tagen das Finale gespielt“, schrieb Bastian Schweinsteiger auf der Homepage des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). „Als Weltmeister können wir uns nur die größten Ziele setzen, wir haben die Ambition, beim Finale in Paris dabei zu sein. Und auch das kann ich sagen: Wir wollen den nächsten Titel.“Die Nationalmannschaft wolle mit ihren Anhängern in Frankreich schließlich einen „Jubelsommer erleben“.
Obe es so kommt? Zu viele Defizite wurden zuletzt beim Weltmeister deutlich. Beim Abschied aus Leipzig gab Joachim Löw seinen Spielern eine klare Botschaft mit auf die Heimreise. „Wir wissen, dass wir da in den nächsten Monaten noch einige Arbeit vor uns haben, um wieder auf das Niveau wie bei der WM zu kommen“, sagte der Bundestrainer. Der Auftritt gegen die vor allem kampfstarken Georgier hatte noch mehr Fragezeichen hinterlassen als die Niederlage von Dublin.
„So wie wir heute gespielt haben, brauchen wir nicht anzutreten“
Doch die Akteure wussten schon selbst, dass es in der aktuellen Form in Frankreich nichts zu holen gibt. Verteidiger Jérôme Boateng, normalerweise eher zurückhaltend, übernahm die Rolle des Mahners. „Die EM ist wieder etwas anderes“, sagte der Abwehrchef vom FC Bayern München zwar, warnte aber: „So wie wir heute gespielt haben, brauchen wir nicht anzutreten. Gegen ein Spitzenteam kannst du so nicht spielen. Man muss schon Klartext reden.“
Das tat dann beim Mitternachtsbankett auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, der nach dem Abpfiff noch eher lapidar gesagt hatte: „Schwamm drüber!“Ein paar Stunden später meinte der Verbandschef: „Das Etappenziel ist erreicht. Aber wir haben natürlich weitere Ziele und Luft nach oben.“
Die Probleme werden das Team aber noch eine Weile begleiten. „Wir sind im Moment ein Boxer, der viele Treffer landet, aber nicht frühzeitig den K.o. schafft“, meinte Löw, der die Chancenverwertung als größtes Defizit ausgemacht hatte. „Wir müssen dahin kommen, dass wir diese absolute Geilheit, ein Tor machen zu wollen, wieder haben“, erklärte auch Mittelfeldspieler Toni Kroos. Rätselhaft blieb in Leipzig, wie die Korrekturen bis zum Start der EM am 10. Ju- ni 2016 aussehen sollen. Sicher ist nur, dass die Effizienz massiv gesteigert werden muss. „Der Schnitt liegt jetzt bei sieben oder acht Torchancen, die wir brauchen“, beklagte Löw.
Dabei ist, wie Löw betonte, genügend Offensivkraft vorhanden: „Unsere Spieler haben schon Vollstreckerqualitäten: Marco Reus, Thomas Müller oder André Schürrle – normalerweise.“Normalerweise. Allein BVB-Star Reus versemmelte in der kalten sächsischen Herbstnacht ein halbes Dutzend bester Tormöglichkeiten, Schürrle ist ein Schatten seiner selbst und Müller überzeugte – trotz seines verwandelten Elfmeters (50.) – nur 60 Minuten lang.
Als Georgien-Kapitän Jaba Kankawa (53.) überraschend ausglich, wurde ein weiteres Problem deutlich: Die deutsche Defensivarbeit lässt aktuell stark zu wünschen übrig. Der Weltranglisten-110. düpierte die DFB-Auswahl ein ums andere Mal, Manuel Neuer war zu Glanzparaden gezwungen. „Man hätte schon denken können, dass das nicht Georgien ist, sondern Italien oder Frankreich“, bemerkte der Welttorhüter. Erst Bayern-Stürmer Robert Lewandowski mit seinem 2:1 für Polen gegen Irland, dann Max Kruse mit dem DFB-Siegtreffer (79.) bannten schließlich diese Gefahr.
Woran es lag? Verteidiger Boateng sprach aus, was alle gesehen hatten: Leichtfertigkeit und Überheblichkeit waren die Ursachen. „Das kommt, wenn man einen Schritt zu wenig läuft und glaubt, es geht von alleine“, bemerkte der Münchner. „Wir müssen es hinten dann ausbaden.“Trainer Löw erlebte in den zehn Qualifikationsspielen – sieben Siege, ein Remis, zwei Niederlagen – jedoch, wie selbst Teams mit beschränkten Möglichkeiten die DFB-Auswahl in Verlegenheit stürzten.
„Wir haben jetzt die Gruppe gewonnen, damit können wir sicherlich zufrieden sein.“Aber, so Löw weiter: „Mit den letzten zwei Spielen bin ich nicht zufrieden. Wie wir gegen Irland und Georgien gespielt haben, das ist nicht unser Anspruch.“Und weiter: „Es war in dieser Qualifikation so schwierig wie nie in den letzten zehn, zwölf Jahren. Der Weg war kein einfacher.“Und der Weg zum anvisierten Jubelsommer könnte noch sehr beschwerlich werden. „Rein im sportlichen, im taktischen Bereich müssen wir uns schon die eine oder andere Überlegung machen“, sagte der 55-Jährige. Eine Abkehr vom bewährten Spielstil – Ballbesitz, Kombinationsfußball, Flexibilität – werde es aber nicht geben. Man brauche jetzt nicht zu glauben, „dass man einen großen, kopfballstarken Spieler braucht – einen Horst Hrubesch“. Aber vielleicht einen echten Stürmer wie Mario Gomez?