Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Mit den „Top Ten“fit für die Zukunft
Kreistag befürwortet Strategiepapier für demografischen Wandel – Spannungen in der SPD-Fraktion
FRIEDRICHSHAFEN - Lange und ausführlich hat sich der Kreistag des Bodenseekreises in seiner Sitzung am Dienstag mit einem Demografie-Papier beschäftigt. In zehn Punkten definiert es die zentralen politischen Handlungsfelder der Zukunft – angefangen von der Kinderbetreuung über Wohnraumbeschaffung bis hin zur Pflege. Aus diesen „Top Ten“sollen Strategien entwickelt werden, um den demografischen Wandel in den Städten und Gemeinden aktiv mitzugestalten. 500 000 Euro stellt der Landkreis im Haushalt 2016 dafür zur Verfügung.
Die Diskussion entzündete sich an zwei Punkten: der Kunst- und Kulturstiftung des Bodenseekreises, die jährlich mit 100 000 Euro bedacht werden soll und an der Kindergartenfachberatung, für die im Jugendamt eine Stelle eingerichtet werden soll. Auf allgemeine Ablehnung stieß ein von der SPD-Fraktion eilends eingebrachter Antrag, wonach der Landkreis einen Armutsbericht erstellen soll. Nicht das Anliegen selbst, sondern die forsche Vorgehensweise führte zu heftiger Kritik aus anderen Fraktionen und am Ende sogar zu einem Eklat innerhalb der SPD (siehe Kasten).
Dass der demografische Wandel ein Jahrhundertthema werden wird, erkannte Landrat Lothar Wölfe bereits vor zehn Jahren. In einer Klausurtagung im Jahr 2010 hat der Kreistag ein Demografiepapier entwickelt und 40 Schwerpunkte bis 2020 festgelegt. Im November 2015 wurde das Papier erneut in Klausur aufgearbeitet und fortgeschrieben. Das Thema Flüchtlinge kam hinzu. Jetzt steht wieder eine Neubewertung der Themen und Handlungsfelder an.
Über neun der Top Ten war sich das Gremium einig: Die Sicherung und Stärkung der Biodiversität, die Anpassung der Landwirtschaft an veränderte Klimabedingungen, die Barrierefreiheit an Haltestellen, über die Stärkung der Jugendhilfe und des Aktionsbündnisses Familie, die Schaffung von sozialem Wohnraum, die Innen- vor Außenentwicklung, die Kindergartenfachberatung und die Integration des Landkreises Konstanz in die Tourismusstruktur. Ein Problem sahen Dieter Hornung (CDU) und Frank Ammann (FW) in der Förderung der Kunst- und Kulturstiftung des Bodenseekreises mit jährlich 100 000 Euro. Die Zinserträge seien zur Zeit derart niedrig, dass es sich nicht lohne, das Stiftungskapital aufzustocken. Bei der Kindergartenfachberatung sehen CDU und FW zwar den Bedarf, eine nicht konfessionsgebundene Stelle zu schaffen, aber entgegen der Ansicht von SPD und FDP wollen sie die Gemeinden an den Kosten beteiligen. Das werde bisher mit anderen Trägern der Fachberatung ebenso gehandhabt. Derzeit seien 60 von 149 Kindertageseinrichtungen noch keiner Fachberatung zugeordnet. Weil die Anforderungen an die Kitas steigen, sei eine Fachberatung wünschenswert und notwendig. „Wer sie in Anspruch nimmt, soll sie aber selbst finanzieren“, sagte Amann.
Unter der Maßgabe „Enkeltauglichkeit“sehen die Grünen das Demografiepapier. Mit den 50 000 Euro, die zur Sicherung und Stärkung der Biodiversität pro Jahr ausgegeben werden sollen, könne man keine großen Sprünge machten, sagte Christa Hecht-Fluhr. Auch in Sachen Pflege stellt sie Handlungsbedarf fest. Es fehlen vor allem Kurzzeitpflegeplätze. Eine Resolution an den Bund, die Rahmenbedingungen für die Einrichtung solcher Plätze zu verbessern, stieß auf positive Resonanz.
Nach Kritik an seinem Antrag zum Armutsberichts nahm Norbert Zeller (SPD) diesen zurück und schloss sich dem Vorschlag von Dieter Hornung (CDU) an, das Thema im Rahmen des Familienberichts und eines Berichts der Kinderstiftung Bodensee zu behandeln.