Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Der Meister kommt allmählich in die Jahre
Volleyball-Bundesliga: BR Volleys treiben vor Supercup gegen VfB akute Verletzungssorgen um
Knapp ein Jahr ist es jetzt her, da hat Roberto Serniotti, Trainer der Berlin Recycling Volleys, fast noch ein wenig schüchtern in der neuen Umgebung geklungen. Er freue sich auf die reizvolle Aufgabe, auf Berlin, auf die Volleyball-Bundesliga – verriet der Italiener damals im Gespräch mit der SZ. Inzwischen kann sich der 54-Jährige stolz auf die Schulter klopfen. Die Volleys feierten das erfolgreichste Jahr der Vereinsgeschichte, schafften mit dem Gewinn der Meisterschaft, des DVV-Pokals und CEV-Pokals das seltene Triple. Und könnten am Sonntag im Supercup gegen den VfB Friedrichshafen gar noch Titel Nummer vier an die Spree holen.
Zweifelsohne ist der Nachfoger von Mark Lebedew einer der Väter des Erfolgs. Serniotti verlieh dem auch zuvor schon auf hohem Niveau agierenden Team noch ein Stückchen mehr Konstanz und Variabilität. Das Credo des Italieners, auf jede Situation müsse die Mannschaft eine passende Antwort finden, verinnerlichten die Spieler um Kapitän Robert Kromm fast perfekt. So brachten auch schwächere Sätze und Satzphasen das Team nie komplett aus der Spur. Und deshalb sind die Volleys, zusammen mit den „Häflern“, auch in der kommenden Saison der große Favorit im Rennen um Meisterschaft und Pokal.
Schwere Knieverletzung
Allerdings traf die Berliner das Verletzungspech gleich schon doppelt: Kurz nach Bekanntgabe des Transfers von Nehemiah Mote (TV Bühl) zog sich der Australier bei der Nationalmannschaft eine schwere Knieverletzung zu. Wann der 23-Jährige wieder zurück aufs Volleyballfeld zurückkehrt, steht noch völlig in den Sternen. So verpflichteten die Volleys den Serben Aleksandar Okolic als Mote-Ersatz für die vakant gewordene Mittelblocker-Position. Mit Außenangreifer Steven Marshall, der von Liga-Konkurrent SVG Lüneburg kam, fällt zunächst ein weiterer Kandidat für die „Starting Six“aus. „Steven hat in der Vorbereitung einen wirklich guten Eindruck hinterlassen“, sagt Trainer Serniotti. „Er ist ein guter Typ, ähnlich wie ich, still, aber ein akribischer Arbeiter. Daher ist es sehr bedauerlich, dass er jetzt ausfällt.“
Mit Diagonalangreifer Paul Carroll, Annahmespezialist Robert Kromm, „Urgestein“Felix Fischer und Regisseur Tsimafei Zhukouski besitzt der Titelverteidiger aber ein solides Gerüst, um das man die Neuzugänge einbauen kann. Neben Marshall und Okolic sind Nikola Kovacevic in der Annahme, Wouter ter Maat auf der Diagonalen, Graham Vigrass im Mittelblock und Ex-VfBLibero Luke Perry die neuen Optionen. Allerdings könnte das hohe Durchschnittsalter einiger Akteure Fischer, Kovacevic und Okolic werden im Februar allesamt 34, Kapitän Kromm ist 32 und Hauptangreifer Carroll 30, Zuspieler Kühner wird im März 30 – durchaus noch für Probleme sorgen. Denn die Hälfte der Mannschaft befindet sich im „Herbst“ihrer Karriere, ist damit auch verletzungsanfälliger.
Vielleicht auch ein Grund, warum Manager Kaweh Niroomand die Nachwuchsförderung auf neue Beine gestellt und deutlich angeschoben hat. „Wir haben im Sommer eine Umstrukturierung im Jugendbereich vorgenommen, um künftig wieder führend in der Nachwuchsarbeit zu werden. Ziel muss es sein, dass die deutsche Nationalmannschaft wieder vermehrt aus Berliner Eigengewächsen besteht.“Kurzfristiges Ziel der Volleys indes ist der erneute Gewinn der Meisterschaft. „Wir wollen uns an der nationalen Spitze stabilisieren und die deutsche Meisterschaft verteidigen“, betont Niroomand. „Ich erwarte die spannendste Saison seit Langem. Denn der Kreis derer, die uns gefährlich werden können, ist groß.“
Die Testspiele verliefen ordentlich, wobei die Supercup-Generalprobe bei Noliko Maaseik jedoch mit 2:3 verloren ging. Dennoch schätzen einige Experten die Volleys noch stärker ein als in der Vorsaison, trauen ihnen auch in der Champions League einiges zu. Wofür auch Robert Kromm mehrere Indizien nennen kann: „Das Niveau im Training ist extrem hoch. Unsere Neuzugänge haben zudem ihr Potenzial in den Tests schon bewiesen. Wir können mit unserem ausgeglichenen Kader Ausfälle noch besser kompensieren, haben einen guten Mix aus Erfahrung und jugendlicher Frische. Das ist die Grundlage, um nach dem Supercup erfolgreich auf drei Hochzeiten zu tanzen.“
Apropos Supercup: Wie gesagt wäre es der vierte Titel in einer Saison für die Berliner. Die Bezeichnung dafür dürfte aber kaum einem geläufig sein: Quadrupel. Klingt eigentlich nicht so schön wie Triple.