Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Französischer Hoffnungsträger mit Fragezeichen
Die Präsidentschaftswahl scheint auf ein Duell zwischen Marine Le Pen und Emmanuel Macron hinauszulaufen
- Xavier Ginoux lächelt viel an diesem grauen Februarmorgen im Pariser Kongresspalast. Mit dem großen E und dem großen M auf dem Anstecker seines Mantels ist der Kommunikationsberater sofort als Anhänger von Emmanuel Macron zu erkennen. Ginoux hat allen Grund, glücklich zu sein, denn er folgt Macron im Abstand von nur wenigen Metern bei dessen Besuch der Unternehmermesse.
Konservative Wähler abgeworben
Der 39-jährige Präsidentschaftskandidat fühlt sich sichtlich wohl zwischen den Start-ups, die im ersten Stock des Palais des Congrès ihre Stände haben. Trotz des Gedränges, das er verursacht, hört der frühere Wirtschaftsminister aufmerksam zu, stellt Fragen, lässt sich die Projekte erklären. „Macron versteht die Unternehmer“, sagt Ginoux, ein Endfünfziger mit dichten grauen Haaren und runder Brille, der sich nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes selbstständig machte.
Er leitet ein Komitee von En Marche, der Bewegung Macrons, im schicken Pariser Vorort Rueil Malmaison. Dort verteilte er schon im Morgengrauen am Bahnhof Werbezettel für den Präsidentschaftskandidaten. „Die Leute haben sie mir nur so aus den Händen gerissen“, schwärmt Ginoux, der vor fünf Jahren noch die Konservativen wählte. „Seit Fillon mit einer Affäre zu kämpfen hat, interessieren sich die Wähler noch mehr für Macron.“
Eine am 1. Februar veröffentlichte Umfrage gibt ihm recht: Darin überholt der parteilose Jungstar, der sich als „weder rechts noch links“versteht, erstmals den konservativen Kandidaten François Fillon. Die Enthüllungen über eine mögliche Scheinbeschäftigung seiner Frau und Kinder haben die Glaubwürdigkeit des früheren Regierungschefs erschüttert und Macron so zum ernsthaften Gegner von Marine Le Pen gemacht. Einen ersten Schlagabtausch lieferten sich die beiden am Wochenende in Lyon. „Die Partei, die den Hass bringt“, nennt Macron den Front National (FN), den er in seinen Reden offen angreift. „Sie verraten die Brüderlichkeit, denn sie hassen die Gesichter, die ihnen nicht ähnlich sehen“, wirft der studierte Philosoph den Rechtspopulisten vor.
Ex-Sozialist und Investmentbanker
Und auch den Clan Le Pen nimmt der Kandidat ins Visier, ohne ihn beim Namen zu nennen: „Sie geben vor, im Namen des Volkes zu sprechen. Sie sprechen nur für sich selbst: vom Vater zur Tochter, von der Tochter zur Nichte.“Die Retourkutsche der FNChefin kommt 24 Stunden später, ebenfalls in Lyon. Die 48-Jährige verhöhnt die „Linke des Geldes“– ein deutlicher Hinweis auf den Ex-Sozialisten Macron, der vier Jahre lang Investmentbanker war. Der doppelte Auftritt in Lyon war nur ein Vorgeschmack auf das Duell, das Macron und Le Pen sich in den kommenden Wochen liefern dürften. Hier der weltoffene Sozialliberale, dort die Nationalistin, die Frankreich aus der EU führen will.
Auch wenn er zwei Jahre lang Präsidentenberater von François Hollande und zwei Jahre lang Minister war, verkörpert Macron eine Aufbruchstimmung. Er wehrt sich gegen den in Frankreich so weit verbreiteten Pessimismus und lockt mit seiner dynamischen, positiven Art vor allem junge Franzosen in Massen zu seinen Kundgebungen. Doch fast die Hälfte derer, die sich in Umfragen für ihn aussprechen, sind sich ihrer Sache noch nicht sicher. „Bei ihm ist viel PR. Für einen Präsidenten reicht das nicht“, kritisiert Georges Bayard, ein Regierungsbeamter des Generalsekretariats für die Modernisierung der öffentlichen Aktion SGMAP. „Er begeistert sich für die neuen Technologien, aber bei den Themen innere Sicherheit und Verteidigung fehlt ihm noch viel.“
Ein Wahlprogramm hat Macron auch fast drei Monate nach Bekanntgabe seiner Kandidatur noch nicht vorgelegt – eine Tatsache, die alle seine Rivalen kritisieren.
Bisher sind es vor allem wohl platzierte Interviews und gut inszenierte Auftritte des Sunnyboys, die Schlagzeilen machen. So, wie im Januar, als er die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel lobte und in der Berliner Humboldt-Universität vor Hunderten Studenten auf Englisch sprach. „Macron Président“rufen ihm die Unternehmer im Pariser Kongresszentrum zu. Die Start-ups hat der Kandidat einmal mehr überzeugt. Für den Rest der Franzosen bleiben ihm etwas mehr als 70 Tage.