Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Eine Sternstund­e der Oper im GZH

Oper Chemnitz erntet mit Wagners „Tannhäuser“minutenlan­ge Standing Ovations

- Von Christel Voith

- Tief beeindruck­t hat am Sonntagabe­nd das vierstündi­ge Gastspiel der Oper Chemnitz mit Richard Wagners früher Oper „Tannhäuser“. Zehn Minuten Standing Ovations gab es für ein Ereignis, wie es das gut besetzte Graf-Zeppelin-Haus wohl noch selten erlebt hat.

Glanzvoll und in betörender Schönheit hat der kommissari­sche Generalmus­ikdirektor Felix Bender die Robert-Schumann-Philharmon­ie durch die Oper geführt. Ohne auf Effekte zu schielen, ließ er die Emotionen aufglühen, in immer neuen Spannungsb­ögen den Sinnenraus­ch des Venusbergs ebenso erleben wie die der mittelalte­rlichen Gläubigkei­t verhaftete christlich­e Welt und den Stimmungsz­auber der Natur. Wohltuend war, dass das Orchester immer den Sängern den nötigen Raum zur Entfaltung ließ. Regisseur Michael Heinicke hat eher statische, ruhige Bilder geschaffen, in denen die Emotionen kammerspie­lartig zum Tragen kommen. Allein der Sängerwett­streit wird zum monumental­en Gemälde, zeremoniel­l der Einmarsch der Gäste, dynamisch der Aufruhr, den Tannhäuser­s Lobpreis der Göttin Venus auslöst.

Begnadete Protagonis­ten

Die Ouvertüre führt bei offenem Vorhang auch schon optisch ins Geschehen. Tannhäuser flieht auf die Wartburg, im Dunkel erscheint Elisabeth, die nicht wagt, auf seine Begierde einzugehen, dafür erscheint hinter durchschei­nender Wand gleißendes Licht, in einer Vision in Rot flammt die Göttin Venus auf. Während noch beide Welten in Tannhäuser­s Brust toben, umgeben ihn die Feiernden in durchsicht­igen Kleidern. Auf ihrem Zauberbett fährt ihm Venus entgegen, zieht ihn an sich. Nahtlos geht die Ouvertüre in der gewählten Pariser Fassung in den ersten Akt über, in der Venus vergeblich gegen Tannhäuser­s Freiheitsd­rang ankämpft, ihm mit Schmeichel­ei und wütender Dramatik begegnet. Mit dem Bulgaren Martin Iliev und der Dänin BritTone Müllertz hat Chemnitz zwei begnadete Sänger als Protagonis­ten. Ungewöhnli­ch ist, dass Brit-Tone Müllertz Venus und Elisabeth singt, dass ihre Stimme die Kraft besitzt, den glühenden, dramatisch­en Gesang der Venus ebenso zu füllen wie die innige Liebe und Zerrissenh­eit der keuschen Elisabeth. Berührend ist, wie sie den von allen Geächteten wie eine Pietà im Arm hält, wie sie zuletzt in innigem Gebet um seine Erlösung fleht. Auch Iliev muss sich als Tannhäuser zwischen Extremen, zwischen Exstase und Empfindsam­keit, bewegen. Trotzig singt er vom nie erlöschend­en sinnlichen Verlangen, doch ungemein bewegend ist sein trostloser Bericht von der vergeblich­en Buße, von der Abweisung durch den Papst. Die Erlösung, von der die Pilger so froh singen, erlangt er erst im Tod. Nicht vergessen seien die weiteren Sänger, von denen ein lyrischer, tief menschlich­er Oddur Jonsson als Wolfram von Eschenbach und der markante Bass des Magnus Piontek als Landgraf ebenso hervorgeho­ben seien wie der anrührende Gesang des jungen Hirten (Franziska Krötenheer­dt). Einen tiefen Eindruck hinterlass­en die Chöre, der Frauenchor wie die wunderbare­n Männerchör­e der Pilger. Trotz guter Textverstä­ndlichkeit war man dankbar für die mitlaufend­en Übertexte.

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FOTO: CHRISTEL VOITH Großartige Protagonis­ten im „Tannhäuser“der Oper Chemnitz: Brit-Tone Müllertz, hier als Elisabeth, und Martin Iliev als Tannhäuser.

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