Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wieder in der richtigen Richtung unterwegs
Die Österreicherin Anna Veith kommt als Doppel-Weltmeisterin zur WM – nach 431 Tagen Pause
S echs Jahre ist es her, Anna Veith hieß noch Anna Fenninger, war 21 und hatte gerade eine SuperKombination gewonnen. Nicht irgendeine: die in Garmisch-Partenkirchen, die der Alpin-WM 2011. Abfahrt auf der Kandahar, Slalom am Gudiberg – die Medaille adelte. Vielleicht noch mehr beeindruckte, wie die junge Frau aus Adnet bei Hallein hernach Profil zeigte, Ecken, Kanten. Sie wolle, sagte Anna Fenninger, nichts sagen zu Maria Höfl-Riesch oder Lindsey Vonn. „Ich bin ich. Ich will mich verkaufen in den Medien und nicht immer über andere reden.“
Also redete Anna Fenninger über Anna Fenninger. Darüber, wie es ist, mit 17 im Weltcup zu debütieren und daheim in Österreich als die neue Annemarie Moser-Pröll versprochen zu werden. Darüber, wie alles so schnell ging. Zu schnell. Die Erfolge wollten sich nicht einstellen wie einst in der Jugend, wie im Europacup. Aus Dominanz wurde Frust, „ich hatte keine Freude mehr am Skifahren“. Gedankenspiele waren da, hinzuschmeißen nach einem Seuchenwinter 2009/10; allein das psychologische Geschick von Konditionstrainerin Sandra Lahnsteiner verhinderte das. „Sie hat mich wieder aufgerappelt.“Dazu kamen die vielen Gespräche mit Meinhard Tatschl, dem Trainer, Wegbegleiter, Vertrauten. Anna Fenninger machte weiter. Weltmeisterlich. Vor allem im Slalom-Part. Viertbeste Zeit, sie! „Nur wollen, was auch möglich ist“, hatte ihre Maßgabe geheißen. „Bei mir bleiben, ich selber bleiben.“Das funktionierte. Auch jetzt, beim Reden. Offen, direkt, Anna Fenninger sagt(e), was sie denkt. Sagte: „Früher war es schwierig. Trainer schmeißen dich in Rennen, sagen, du kannst das. Obwohl man nicht will. Mir fehlte die Erfahrung, um selbst zu entscheiden.“Nun habe sie gelernt, auf ihr Inneres zu hören, ihren Weg zu gehen.
Der führte in Sphären, die weit, weit weg waren vom tiefen Tal des Winters 9/10: Olympiagold im Super-G von Sotschi. Die grandiose WM 2015 in Vail/Beaver Creek mit den Titeln in Super-G und Riesenslalom, mit Abfahrtssilber außerdem. Die 14 Weltcup-Siege. Die Gesamtweltcup-Triumphe 2013/14 und 2014/15. Wo Anna Fenninger war, war vorne.
Auch der heftige Streit mit dem Österreichischen Skiverband änderte daran wenig: Eskaliert waren die Unstimmigkeiten an einer Werbekampagne der Sportlerin mit Mercedes; wegen einer Konkurrenzklausel mit Verbandssponsor Audi führte sie zum offenen Konflikt. Per E-Mail, die an die Öffentlichkeit gelangt war, hatte Anna Fenninger dem ÖSV mit Rücktritt gedroht; im Juni 2015 vermittelte ihre Skifirma Head einen Friedensgipfel. Man einigte sich. Kein Aufhören, kein Ausschluss. „Keep on fighting“stand danach auf Anna Fenningers Facebook-Seite zu lesen; es klang unbequem nach: „Ich selber bleiben“.
Weiter kämpfen: Am 21. Oktober 2015 in Sölden bekam das eine neue, ganz andere Bedeutung. Der Innenskifehler im Training war einer, „wie er hunderttausendmal passiert“, seine Folgen sollten selten fatal sein. Anna Fenninger rutschte in ein Tor hinein, verdrehte das rechte Knie. Riss des vorderen Kreuzbandes, des inneren Seitenbandes, von Innen- und Außenmeniskus und Patellasehne, die Zwangspause dauerte 431 Tage. Anna Fenninger schuftete, schwitzte, haderte, lernte dunkle Gedanken beherrschen. Sie heiratete ihren Lebensgefährten Manuel Veith, sie schrieb ein Buch („Zwischenzeit“), sie fasste Vertrauen. In sich. In ihr Knie.
Und: Sie kam zurück. Als 49. zunächst beim Riesenslalom am Semmering, sechs Rennen später stand Anna Veith als Super-G-Dritte in Cortina d’Ampezzo auf dem Podest. Eineinhalb Wochen ist er her, dieser „emotionalste Tag in meiner Karriere“, punktgenau kam er – so kurz vor St. Moritz, ihrer fünften WM. Gezeigt habe er, „dass ich nun wieder in der richtigen Richtung unterwegs bin“. Nicht mehr, sagt Anna Veith, und nicht weniger.
Sie wird bei sich bleiben. Von heute an.