Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Ciao Bella
Mit der Neuauflage der Giulia ist Alfa Romeo ein tolles Auto gelungen – Innere und äußere Werte überzeugen
Alfa Giulia? Da war doch was. Richtig. Ältere Zeitgenossen werden sich noch an die erfolgreiche Baureihe des italienischen Autoherstellers erinnern. Von Mitte 1962 bis Ende 1978 brachte Alfa Romeo gut 570 000 Wagen davon auf die Straße. Dann war Schluss.
Es dauerte rund 36 Jahre, bis man sich in Turin des klangvollen Namens erinnerte. Im September 2014 kündigte Vorstandschef Sergio Marchionne an, zum 105. Geburtstag der Marke Alfa Romeo mit einer neuen Giulia aufzuwarten. Pünktlich am 24. Juni 2015 präsentierte der Schweizer dann das Modell – vor der Kulisse des nach langer Renovierung wiedereröffneten Museums der Marke im italienischen Arese.
Neuer Glanz für die Marke
Einst erlagen Heerscharen von Autofahrern den betörenden Fahrzeugen von Alfa Romeo, dann wurde die Marke heruntergewirtschaftet. Mit der neuen Giulia will der Konzern nun wieder Herzen erobern. Sie war jahrzehntelang Synonym für die Marke und soll diese nun aus der Bedeutungslosigkeit zurück in die erste Liga der sportlichen Mittelklasse-Limousinen führen. Sie ist der große Hoffnungsträger, der Alfa Romeo zu neuem Glanz verhelfen soll.
Aufgeladen mit solchen Erwartungen, ist die Giulia zum Erfolg verdammt, darf nicht floppen. Rund 400 000 Exemplare sollen im Jahr 2018 ihre Käufer finden. Das ist ein ambitioniertes Ziel. Denn nach Neuausrichtung und Straffung der Modellpalette brachen die Verkäufe im Jahr 2014 auf nur noch 68 000 Fahrzeuge weltweit ein. Zudem ist die Konkurrenz nicht von Pappe: BMW 3er und Audi A4 sind die erklärten Wettbewerber, die Alfa-Chef Harald Wester aus dem Feld schlagen will.
Nun denn. Die erste Begegnung mit der dunkelblauen Italienerin ist vielversprechend; sie sieht unverschämt gut aus. Die lange Motorhaube, weit nach innen gezogene Frontscheinwerfer, der traditionelle Scudetto-Kühlergrill, trapezförmige Lufteinlässe und das nach links verrückte Kennzeichen geben der Giulia ein eigenständiges Äußeres, das sich angenehm vom automobilen Einheitsbrei abhebt. Die weit heruntergezogene Frontschürze unterstreicht den sportlichen Anspruch, gebietet bei hohen Bordsteinen oder steilen Tiefgaragen-Einfahrten aber Vorsicht.
Fahrer und Beifahrer nehmen auf sehr bequemen und dank etwas höherer Seitenwangen guten Halt bietenden Sitzen Platz. Sie waren in unserem Testwagen mit schwarzem Leder bezogen und ließen sich manuell verstellen – ein weiterer Pluspunkt gegenüber den heute gern verbauten elektrisch verstellbaren Sesseln, bei denen man eine gefühlte Ewigkeit braucht, um näher zum Lenkrad zu rutschen oder eben weiter weg.
Materialanmutung und -verarbeitung im Innenraum hinterlassen einen ordentlichen Eindruck. Das aufgeräumte Cockpit ist leicht dem Fahrer zugeneigt, die Bedienknöpfe für Licht und Klimatisierung fassen sich gut an. Sie sind ebenso gummiummantelt wie der große Dreh-Drückschalter für Navigation und Radio und der Fahrdynamikregler, die beide griffgünstig unterhalb des Schaltknaufs in der Mittelkonsole positioniert sind.
Hochwertig wirkt die Verkleidung des Kofferraums mit Teppich, auch wenn sein Volumen mit 480 Litern nicht mehr als durchschnittlich ist. Übrigens gilt Ähnliches auch für die Platzverhältnisse auf der Rückbank.
180 Pferdestärken des 2,2-LiterTurbodiesels erwachen beim Druck auf den schwarzen Starterknopf im Lenkrad. Rasch den Fuß aufs Gas, und die Giulia fegt mit Vehemenz voran. Der nicht nur beim Start, sondern auch bei höheren Drehzahlen deutlich vernehmbare Motor ist kraftvoll und durchzugsstark. In etwas mehr als sieben Sekunden beschleunigt er die knapp 1,5 Tonnen schwere Limousine aus dem Stand auf 100 km/h. Eine wahre Freude sind kurvige Pisten. Hier überzeugt die Giulia mit einer direkt ansprechenden Lenkung. Selbst in schnell durcheilten Kehren lässt sie sich nicht aus der Ruhe bringen.
Drei Fahrmodi können per Drehknopf angewählt werden: D steht für Dynamic und sportliches Fahren mit direkter und unmittelbarer Reaktion auf Gas-, Brems- und Lenkbefehle, der Modus N für Natural ist eher komfortorientiert und wird von Alfa für den täglichen Gebrauch empfohlen. Im Modus A für Advanced Efficiency wird eine Zylinderabschaltung aktiviert, die für einen geringeren Kraftstoffverbrauch sorgen soll.
Ob sich damit die vier Liter Normverbrauch erreichen lassen, die Alfa Romeo angibt, bleibt fraglich. Beantworten können wir es auch deshalb nicht genau, weil die Giulia – scusi! – vornehmlich im für ein solches Auto angemessenerem Dynamic-Modus bewegt wurde. Mit durchschnittlich 5,5 Litern auf 100 Kilometern gab sich der Wagen aber auch bei sportlicher Fortbewegung sparsamer als erwartet.