Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Der Glaube schwindet
Die Welt könnte für den Volkswagenkonzern so schön sein. Dieselskandal und zweistellige Milliarden-Vergleiche hin oder her – im abgelaufenen Geschäftsjahr steigerte der Autobauer seinen Betriebsgewinn auf 7,1 Milliarden Euro. Alleine die Kernmarke VW meldete kürzlich für das erste Quartal 2017 einen vorläufigen Gewinn von 4,4 Milliarden Euro.
Kann der Abgasskandal also zu den Akten gelegt werden? Nein, denn das deutsche Vorzeigeunternehmen, das für Jahrzehnte maßgeblich mit für den exzellenten Ruf von „Made in Germany“verantwortlich war, kommt nicht zur Ruhe. Verantwortlich dafür sind nicht übereifrige Techniker, die bei den Dieselmotoren tief in die Trick- und Betrugskiste griffen, sondern die Topmanager, die Strukturen schafften, die den Betrug beförderten, und die die Täuschung nicht umgehend aufklärten, als alles aufflog – so jedenfalls der Verdacht der Ermittlungsbehörden.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen Vorstandschef Matthias Müller, der als Saubermann angetreten war. Er steht in einem „Anfangsverdacht“, Marktmanipulationen verantwortet zu haben. Also wieder Negativmeldungen für das Unternehmen, das sich im Zuge der Einigung in den USA zu Reformen verpflichtet hat und das dabei zähneknirschend akzeptieren musste, dass ein US-Anwalt direkt in Wolfsburg als Aufpasser installiert wird.
Das Unternehmen VW habe verstanden und wolle seine alte Überheblichkeit ablegen, so lautet das gebetsmühlenartig vorgetragene Credo des Topmanagements. Angesichts des Ausmaßes des Skandals ein ehrenwertes – und sehr ehrgeiziges – Unterfangen. Mit jedem neuen Verdacht gegen die Mächtigen in Wolfsburg schwindet aber der Glaube daran, dass die Versprechen von VW mehr sind als eine leere Worthülse. Dabei wird es Zeit, dass VW seine internen Strukturen in den Griff bekommt und tatsächlich seine gesellschaftliche Verantwortung gegenüber Dritten vorlebt. Gelingt dies nicht, schadet VW nicht nur seinen eigenen Mitarbeitern, sondern der gesamten deutschen Wirtschaft.