Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wahrsager Allan Lichtman
Der US-Professor sah Trumps Wahlsieg voraus – und sieht auch dessen Absetzung
- Als fast alle falschlagen, lag Allan Lichtman richtig. Der Historiker gehörte zu den wenigen, die Donald Trumps Wahlsieg vorhersagten, auch in einer Phase des Rennens, in der die meisten Umfrageinstitute dem Immobilienmagnaten keine Chance gaben. Trump habe ihm später ein Exemplar der Zeitung geschickt, in der er seinen Tipp begründete, und es mit einer Widmung versehen: „Gratuliere, Professor! Gut gesehen!“, erzählt Lichtman. Was Trump nicht wahrhaben wollte, sagt der Gelehrte, sei dies: Noch vor dem Votum habe er sich ein zweites Mal aus dem Fenster gelehnt und prophezeit, dass es der Präsident nicht über die volle Amtszeit schaffen, sondern vorzeitig seines Amtes enthoben werde.
Solche Prognosen haben gerade Hochkonjunktur, jetzt, da Trump in seine bislang schwerste Krise schlittert. Erst feuerte er den FBI-Direktor James Comey, was den Verdacht nährte, er wolle potenziell brisante Ermittlungen abwürgen. Comey versuchte der sogenannten RusslandConnection auf den Grund zu gehen, dem Vorwurf, nach dem Berater aus Trumps Wahlkampfteam mit dem Kreml kooperierten, um der Rivalin Hillary Clinton zu schaden. Trump sah und sieht darin eine Masche seiner von Rache beseelten politischen Gegner, die nicht akzeptieren können, dass Clinton das Votum verlor.
Ließ schon dieses Kapitel an eine Bananenrepublik denken, so machen neue Enthüllungen einmal mehr deutlich, wie wenig der Präsident vom Prinzip der Gewaltenteilung versteht. Oder zumindest: Wie wenig er davon hält. Im Februar soll Trump den FBI-Chef während eines Treffens im Weißen Haus aufgefordert haben, die Untersuchungen gegen Michael Flynn einzustellen, den Nationalen Sicherheitsberater, der gehen musste, weil er über ein Telefonat mit dem russischen Botschafter in Washington nicht die Wahrheit gesagt hatte. Comey hat das Gespräch in Notizen protokolliert, und nun wird im Kongress der Ruf laut, sie zu veröffentlichen. Die Skandale um Trump, sagt selbst John McCain, ein Parteifreund des Präsidenten, erreichten allmählich die Dimensionen der Watergate-Affäre.
Kein Wunder, dass Szenarien einer Amtsenthebung („Impeachment“) die Runde machen. Lichtman, der an der American University in Washington lehrt, hat ein Buch geschrieben, um seine These zu untermauern. Es heißt „The Case for Impeachment“, und bevor Lichtman es aufschlägt, um in einer Buchhandlung namens Politics & Prose daraus zu lesen, schickt er einen Schnellkurs in Verfassungsrecht voraus.
Es sei ein rein politisches Verfahren, doziert er. Voraussetzung ist, so hat es der große Theoretiker Alexander Hamilton 1788 definiert, ein „Fehlverhalten öffentlicher Personen, mit anderen Worten, der Missbrauch öffentlichen Vertrauens“. In einem ersten Schritt muss eine Mehrheit im Repräsentantenhaus dafür stimmen. Das heißt, angesichts der aktuellen Mehrheitsverhältnisse müssten sich neben den Demokraten etwa zwei Dutzend republikanische Abgeordnete gegen Trump stellen.
Bislang kennt die US-Geschichte zwei Fälle, in denen der Kongress die Reißleine zog, wenn auch nicht mit letzter Konsequenz. 1868 traf es Andrew Johnson, einen Südstaatler aus Tennessee, der nach dem Bürgerkrieg bremste, als die hart erkämpften Rechte befreiter Sklaven in der Praxis durchgesetzt werden sollten. 1998 war es Bill Clinton, der im Zuge der Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky unter Eid gelogen hatte. In beiden Fällen scheiterte das Prozedere an einer hohen Hürde: Nur wenn sich im Senat eine Zweidrittelmehrheit findet, führt es zu einem Ergebnis. Angesichts der Sitzverteilung in der kleineren Kongresskammer (52 Republikaner, 48 Demokraten) müssten sich im Falle Trumps also mindestens 18 Republikaner der Oppositionspartei anschließen, wenn das Impeachment Erfolg haben soll.
Richard Nixon wiederum kam der Amtsenthebung zuvor, indem er 1974 auf dem Höhepunkt des WatergateSkandals zurücktrat. Es sind vor allem die Parallelen zu Nixon, die Lichtman an ein vorschnelles politisches Ende Trumps glauben lassen. „Beide sind zwanghaft davon besessen, von eigener Schuld abzulenken. Beide neigen zur Geheimniskrämerei und streben an, alles unter Kontrolle zu haben, ohne dass jemand widerspricht“, schreibt er. Wie Nixon wolle auch Trump seine persönliche Agenda durch nichts und niemanden behindern lassen.