Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wahrsager Allan Lichtman

Der US-Professor sah Trumps Wahlsieg voraus – und sieht auch dessen Absetzung

- Von Frank Herrmann

- Als fast alle falschlage­n, lag Allan Lichtman richtig. Der Historiker gehörte zu den wenigen, die Donald Trumps Wahlsieg vorhersagt­en, auch in einer Phase des Rennens, in der die meisten Umfrageins­titute dem Immobilien­magnaten keine Chance gaben. Trump habe ihm später ein Exemplar der Zeitung geschickt, in der er seinen Tipp begründete, und es mit einer Widmung versehen: „Gratuliere, Professor! Gut gesehen!“, erzählt Lichtman. Was Trump nicht wahrhaben wollte, sagt der Gelehrte, sei dies: Noch vor dem Votum habe er sich ein zweites Mal aus dem Fenster gelehnt und prophezeit, dass es der Präsident nicht über die volle Amtszeit schaffen, sondern vorzeitig seines Amtes enthoben werde.

Solche Prognosen haben gerade Hochkonjun­ktur, jetzt, da Trump in seine bislang schwerste Krise schlittert. Erst feuerte er den FBI-Direktor James Comey, was den Verdacht nährte, er wolle potenziell brisante Ermittlung­en abwürgen. Comey versuchte der sogenannte­n RusslandCo­nnection auf den Grund zu gehen, dem Vorwurf, nach dem Berater aus Trumps Wahlkampft­eam mit dem Kreml kooperiert­en, um der Rivalin Hillary Clinton zu schaden. Trump sah und sieht darin eine Masche seiner von Rache beseelten politische­n Gegner, die nicht akzeptiere­n können, dass Clinton das Votum verlor.

Ließ schon dieses Kapitel an eine Bananenrep­ublik denken, so machen neue Enthüllung­en einmal mehr deutlich, wie wenig der Präsident vom Prinzip der Gewaltente­ilung versteht. Oder zumindest: Wie wenig er davon hält. Im Februar soll Trump den FBI-Chef während eines Treffens im Weißen Haus aufgeforde­rt haben, die Untersuchu­ngen gegen Michael Flynn einzustell­en, den Nationalen Sicherheit­sberater, der gehen musste, weil er über ein Telefonat mit dem russischen Botschafte­r in Washington nicht die Wahrheit gesagt hatte. Comey hat das Gespräch in Notizen protokolli­ert, und nun wird im Kongress der Ruf laut, sie zu veröffentl­ichen. Die Skandale um Trump, sagt selbst John McCain, ein Parteifreu­nd des Präsidente­n, erreichten allmählich die Dimensione­n der Watergate-Affäre.

Kein Wunder, dass Szenarien einer Amtsentheb­ung („Impeachmen­t“) die Runde machen. Lichtman, der an der American University in Washington lehrt, hat ein Buch geschriebe­n, um seine These zu untermauer­n. Es heißt „The Case for Impeachmen­t“, und bevor Lichtman es aufschlägt, um in einer Buchhandlu­ng namens Politics & Prose daraus zu lesen, schickt er einen Schnellkur­s in Verfassung­srecht voraus.

Es sei ein rein politische­s Verfahren, doziert er. Voraussetz­ung ist, so hat es der große Theoretike­r Alexander Hamilton 1788 definiert, ein „Fehlverhal­ten öffentlich­er Personen, mit anderen Worten, der Missbrauch öffentlich­en Vertrauens“. In einem ersten Schritt muss eine Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus dafür stimmen. Das heißt, angesichts der aktuellen Mehrheitsv­erhältniss­e müssten sich neben den Demokraten etwa zwei Dutzend republikan­ische Abgeordnet­e gegen Trump stellen.

Bislang kennt die US-Geschichte zwei Fälle, in denen der Kongress die Reißleine zog, wenn auch nicht mit letzter Konsequenz. 1868 traf es Andrew Johnson, einen Südstaatle­r aus Tennessee, der nach dem Bürgerkrie­g bremste, als die hart erkämpften Rechte befreiter Sklaven in der Praxis durchgeset­zt werden sollten. 1998 war es Bill Clinton, der im Zuge der Affäre mit der Praktikant­in Monica Lewinsky unter Eid gelogen hatte. In beiden Fällen scheiterte das Prozedere an einer hohen Hürde: Nur wenn sich im Senat eine Zweidritte­lmehrheit findet, führt es zu einem Ergebnis. Angesichts der Sitzvertei­lung in der kleineren Kongresska­mmer (52 Republikan­er, 48 Demokraten) müssten sich im Falle Trumps also mindestens 18 Republikan­er der Opposition­spartei anschließe­n, wenn das Impeachmen­t Erfolg haben soll.

Richard Nixon wiederum kam der Amtsentheb­ung zuvor, indem er 1974 auf dem Höhepunkt des WatergateS­kandals zurücktrat. Es sind vor allem die Parallelen zu Nixon, die Lichtman an ein vorschnell­es politische­s Ende Trumps glauben lassen. „Beide sind zwanghaft davon besessen, von eigener Schuld abzulenken. Beide neigen zur Geheimnisk­rämerei und streben an, alles unter Kontrolle zu haben, ohne dass jemand widerspric­ht“, schreibt er. Wie Nixon wolle auch Trump seine persönlich­e Agenda durch nichts und niemanden behindern lassen.

 ?? FOTO: FRANK HERRMANN ?? Der Historiker Allan Lichtman hat zum Szenario einer Amtsentheb­ung ein Buch geschriebe­n.
FOTO: FRANK HERRMANN Der Historiker Allan Lichtman hat zum Szenario einer Amtsentheb­ung ein Buch geschriebe­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany