Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Guterres liest den EU-Abgeordneten die Leviten
(dawe) - Der neue Generalsekretär der Vereinten Nationen hat die Europäische Union aufgefordert, eine Führungsrolle bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise einzunehmen. Die Europäische Union müsse endlich Vorreiter sein, forderte Antonio Guterres in Straßburg von den EU-Abgeordneten. Auch sei es dringend nötig, Kanäle für legale Migration zu schaffen und besser mit den Herkunfts- und Durchreiseländern zusammenzuarbeiten.
Im Streit um eine gemeinsame Asylpolitik wird der Ton in der EU schärfer. Am Dienstag hatte Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos vor dem Europaparlament erklärt, seine Behörde werde Vertragsverletzungsverfahren gegen alle Länder eröffnen, die sich weigern, Flüchtlinge aufzunehmen. Tschechien hat seit einem Jahr keine Plätze zur Verfügung gestellt, Polen und Ungarn überhaupt noch nicht. Österreich beteiligte sich zunächst ebenfalls nicht, lenkte nun aber ein und bot 50 Plätze an. Die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo wies die Forderungen hingegen umgehend zurück.
Im September 2015 hatten die EUInnenminister beschlossen, 120 000 in Griechenland und Italien gestrandete Asylbewerber in andere Länder umzusiedeln. An diese Entscheidung sind alle Mitgliedsstaaten gebunden. Ungarn und die Slowakei klagen aber vor dem Europäischen Gerichtshof, weil sie den Beschluss als Einmischung in innere Angelegenheiten betrachten.
Die EU-Kommission berichtet regelmäßig über den Stand der Umverteilungsaktion. Laut jüngster Zahlen fanden bislang 18 418 Flüchtlinge ein neues Aufnahmeland. Deutschland hat knapp 4500 Menschen aufgenommen, ist aber laut Verteilungsschlüssel verpflichtet, 27 536 Plätze bereitzustellen. Deshalb wird Berlin zusammen mit einer Reihe anderer Hauptstädte im jüngsten Zwischenbericht ermahnt, seine Anstrengungen zu erhöhen.