Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Öffnung oder Abschottung – Iran hat die Wahl
Bei der Präsidentschaftswahl in Iran geht es nach Meinung des gemäßigten Amtsinhabers Hassan Ruhani um eine Entscheidung zwischen der Öffnung des Landes und „Gewalt und Extremismus“. Sein konservativer Herausforderer Ebrahim Raisi ruft die Bürger dagegen auf, zu wählen zwischen „sozialer Gerechtigkeit und dem Missmanagement der Regierung“.
Einig sind sich beide Kandidaten, dass bei der Abstimmung am Freitag viel auf dem Spiel steht. Der noch amtierende Präsident gilt zwar als Favorit. Die Wiederwahl des 68-Jährigen ist aber keinesfalls sicher. Als Ruhani vor vier Jahren überraschend zum Präsidenten der Islamischen Republik Iran gewählt wurde, galt er als Hoffnungsträger. Nach der katastrophalen Politik seines Amtsvorgängers Mahmud Ahmadinedschad, der mit der Leugnung des Holocaust sein Land in die Isolation führte, hatte Iran wieder ein freundliches Gesicht.
Arbeitslosigkeit und Stagnation
Ruhani ist es seit 2013 zwar gelungen, die Inflation zu senken, die Währung zu stabilisieren und die Ölproduktion deutlich zu erhöhen. Doch bleibt die Arbeitslosigkeit mit 12,5 Prozent hoch. Unter jungen Leuten erreicht sie sogar 26,7 Prozent. Dass der nach dem Abschluss des Atomabkommens mit dem Westen versprochene Wirtschaftsaufschwung bislang ausblieb, kann aber keinesfalls nur der Politik Ruhanis angelastet werden. Ein Grund für die Arbeitslosigkeit und Stagnation im Land ist auch die Weigerung europäischer Banken, neue Geschäfte mit Iran zu finanzieren. Die Geldhäuser fürchten Strafmaßnahmen der USA, wo noch immer einige der Sanktionen gegen Iran in Kraft sind. Ruhanis Widersacher Raisi setzt daher auf eine vom Westen abgeschottete „Wirtschaft des Widerstandes“, von der in erster Linie das Wirtschaftsimperium der Revolutionsgardisten profitieren würde. Nutznießer einer solchen Strategie wäre vermutlich auch die milliardenschwere Stiftung des Heiligtums vom Imam Reza im ostiranischen Maashad, die Raisi seit einem Jahr leitet. Der 58-jährige Geistliche war bis zu seiner Präsidentschaftskandidatur als Nachfolger von Revolutionsführer Ali Khamenei im Gespräch. Eine Niederlage bei den Präsidentenwahlen, so glauben Beobachter in Teheran, könnte seinem Ruf erheblich schaden.
Keine Chancen auf das Präsidentenamt haben der 70 Jahre alte Hardliner Mostafa Mir Salim und der eher unbekannte Reformkandidat Mostafa Haschemi-Taba, der bei den Wahlen vor vier Jahren lediglich 28 000 Stimmen bekam.
1499 Männer und 137 Frauen hatten ihren Anspruch auf das Amt des Staatspräsidenten angemeldet. Unter ihnen war auch Ruhanis Amtsvorgänger Ahmadinedschad, der auf Weisung von Revolutionsführer Ali Khamenei vom Wächterrat disqualifiziert wurde. Wahlberechtigt sind 55 Millionen Iraner.