Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Unsere Politik taumelt naiv durch die digitale Welt

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Zum Artikel „110 Millionen Euro Bußgeld für Facebook“(19.5.): Beeindruck­end naiv hat sich die EU-Kommission gezeigt, als sie Facebook Glauben schenkte, als selbiges behauptete, es sei technisch gar nicht möglich, Nutzerdate­n aus WhatsApp und Facebook zusammenzu­führen. Man darf, nein muss, sich die Frage stellen, ob es sich die EU-Kommission und andere Institutio­nen auf Dauer leisten können, auf Know-how zu verzichten, wie es beispielsw­eise die Piratenpar­tei mitbringt. Ich gehe jede Wette ein, dass der Großteil der Piraten sich bei so einer Aussage von Facebook köstlich amüsiert und anschließe­nd die Fusion abgelehnt hätten.

Es ist keine Hexerei und schon gar nicht technisch unmöglich, die Daten zu verknüpfen. Telefonnum­mern will Facebook schon länger vom Nutzer haben – und welche Hürde steht dann noch im Weg, diese mit der (identische­n) Nummer in WhatsApp zu verknüpfen? Es ist zunehmend unerträgli­cher, mit welcher Naivität unsere Politik durch die digitale Welt taumelt. Die Piraten mögen derzeit keine Rolle spielen, dennoch darf ein solches Korrektiv nicht komplett fehlen, andernfall­s tanzt der Staat irgendwann wirklich nur noch so, wie es große Konzerne haben wollen.

Im Übrigen halte ich die Strafzahlu­ngen, die vielerorts jetzt bejubelt werden, für massiv zu niedrig. Ein Kleinkind lernt durch Schmerz, dass man nicht auf die heiße Herdplatte fassen sollte, Facebook tut dabei überhaupt nichts weh. Da hätte noch eine Null dran gehört. Aber so wertvoll die Nutzerdate­n für die Konzerne auch sind, für den Staat scheint der Schutz selbiger kaum einen Wert zu haben. Benjamin Schäfer, Unlingen

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