Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Derby der krassen Gegensätze
Bundesliga-Relegation: Wolfsburg will gegen Nachbar Braunschweig die Saison retten
(SID/dpa/sz) - Geschlossenheit und Normalität: Darauf setzt man beim Fußball-Zweitligisten Eintracht Braunschweig vor dem ersten von zwei Relegationsspielen heute Abend (20.30 Uhr/Sky und ARD) beim VfL Wolfsburg. „Der Teamspirit bei uns liegt nicht brach, der ist sehr ausgeprägt“, sagte Eintracht-Trainer Thorsten Lieberknecht mit einer kleinen Spitze in Richtung des Starensembles des VfL. Und: „Wir haben uns für Normalität entschieden.“Denn während sich die Wölfe in der Niederlande vorbereiten, genießen die Braunschweiger die schönen und ruhigen Plätze in ihrer Stadt.
Doch für die Wolfsburger sind die beiden K.o.-Partien gegen den zweitklassigen Nachbarn auch alles andere als normal. Immerhin erklang in der vergangenen Saison noch die Hymne der Königsklasse in der Volkswagen Arena. Um dem unerwünschten Trubel zu entgehen, hat sich die Mannschaft des VfL-Trainers Andries Jonker für einen Kurztrip ins Nachbarland abgesetzt. „In anderer Umgebung fällt es etwas leichter, das Drumherum auszublenden“, sagte Wolfsburgs Sportdirektor Olaf Rebbe.
Relegation als Rettungsfallschirm
Für die Wölfe ist die Relegation „eine Art Rettungsfallschirm“, so Rebbe. „Und dafür werden wir alles tun.“Doch selbst wenn die Grün-Weißen auch im kommenden, dann 21. Jahr, in der Ersten Liga spielen, steht Rebbe und den Bossen in der VW-Stadt ein arbeitsreicher Sommer bevor. Das Gesicht des Teams wird sich komplett ändern. Die mit Stars gespickte Auswahl blieb in den beiden Jahren seit dem Pokalsieg und der Vizemeisterschaft 2015 pausenlos hinter den Erwartungen zurück. „Da werden wir jeden Stein umdrehen und dort, wo es nötig ist, den Hebel ansetzen“, kündigte Rebbe an.
Zunächst einmal geht es für die Wolfsburger heute und am Montag (20.30 Uhr/Sky und ARD) in den Duellen mit dem kleinen Nachbarn, der ebenfalls von VW unterstützt wird, aber ums nackte Überleben. „Wir müssen Kampfgeist und spielerische Stärke vereinen, dann sind wir für jeden Gegner schwer zu schlagen“, sagte Jonker. Fehlen werden dem Niederländer die verletzten Sebastian Jung, Riechedly Bazoer und Jakub Blaszczykowski. Der Einsatz von Ricardo Rodriguez ist fraglich.
Rebbe geht dennoch von einer erfolgreichen Relegation aus. „Mit Verlaub, wir sind der Erstligist“, sagte der 39 Jahre alte Nachfolger von Klaus Allofs: „Wir bleiben erstklassig. Dazu stehe ich nach wie vor.“Stürmer Mario Gomez sieht es ähnlich: „Wir sind insgesamt gesehen die bessere Mannschaft. Bei aller Liebe: Das müssen wir schaffen“, sagte der in Riedlingen geborene Torjäger, ohne dessen 16 Saisontreffer die Wölfe wahrscheinlich nicht einmal die K.o.-Spiele erreicht hätten.
Die Eintracht, glaubt Lieberknecht, habe eine kurzfristige Maßnahme wie ein Trainingslager nicht nötig: „Es gibt genügend schöne und ruhige Plätze in Braunschweig.“Beispielsweise die eigenen vier Wände, in denen sich Eintracht-Kapitän Ken Reichel gern beim Spielen mit seinem Sohn vom bevorstehenden Derby ablenkt.
„Entspannt angespannt, obwohl es ja was von Europapokal hat“, so geht laut Lieberknecht der Underdog die beiden Partien Richtung BundesligaAufstieg an. Internationale Erfahrung, größere spielerische Klasse, das alles spricht für die Wölfe. Die Stadien des VfL und der Eintracht liegen zwar nur knapp 35 Kilometer auseinander, doch in Wirklichkeit trennen die beiden Welten. „Das ist ein Kräftevergleich, der eigentlich im Bereich des Unmöglichen zu liegen scheint“, sagte Lieberknecht. Aber eben nur „scheint“. Denn das Momentum und die mannschaftliche Geschlossenheit sprechen eher nicht für den VfL.
Und daraus speisen sich auch die Hoffnungen der Braunschweiger, dem Nachbarn die ohnehin völlig verkorkste Spielzeit komplett zu versauen und selbst in Liga eins zurückzukehren. Reichel: „Wir haben Respekt, das gehört sich so. Aber wir wollen uns auch für eine sehr gute Saison mit 66 Punkten belohnen.“
Der Zweitliga-Dritte kann beim Drittletzten der Ersten Liga in Bestbesetzung antreten. „Bis auf die Langzeitverletzten sind alle Spieler fit“, sagte Lieberknecht: „Wir können immer noch Geschichte schreiben und eine tolle Saison krönen.“
Auch Kapitän Reichel freut sich auf die Spiele gegen den Lokalrivalen. „Das ist die Belohnung für die Riesensaison, die wir gespielt haben“, sagte der Verteidiger und versprach: „Wir werden Vollgas geben.“Mut schöpfen die Blau-Gelben aus der Erstliga-Saison 2013/14. Vor drei Jahren gewann die Eintracht in Wolfsburg und spielte daheim Remis. „Wir haben gute Erinnerungen daran. Wir wollen wieder Erste Liga spielen“, sagte Reichel.
Polizei in Alarmbereitschaft
Bei beiden Partien ist die Polizei mit Blick auf Fanrivalitäten in Alarmbereitschaft. Ein Ausnahmezustand wie zwischen den Eintracht-Anhängern und den Fans von Hannover 96 ist nicht zu erwarten. Dennoch sind blaugelbe Fantrikots für die Braunschweiger Anhänger beim Hinspiel nur im Gästeblock zugelassen.
In einem gemeinsamen Appell mahnten Wolfsburgs Oberbürgermeister Klaus Mohrs und sein Braunschweiger Kollege Ulrich Markuth am Dienstag zu Fairness auf den Stadionrängen. „Wir wünschen uns zwei hochklassige und friedliche Fußballfeste. Klar ist auch: Fußball ist nur ein Spiel.“