Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Amsterdams Rasselbande will Mourinho nerven
Ajax versucht mit seiner 23 Jahre jungen Mannschaft, die Erfolge der Vergangenheit zu wiederholen
(SID/dpa/sz) - Die ganze Stadt trägt Rot und Weiß, die Spieler um Shootingstar Amin Younes fiebern dem Finale entgegen – nur einer versteht den Hype um Ajax Amsterdam überhaupt nicht. „Sie haben es nicht verdient, im Endspiel zu stehen“, sagte Manchester Uniteds José Mourinho vor ein paar Tagen. Dennoch wird sich der Portugiese heute im Europa-League-Endspiel mit den Niederländern messen müssen. „Sie haben ein Team für die Champions League und sind dort ausgeschieden. Ich denke, dass man nicht in zwei Wettbewerben spielen sollte“, stänkerte „The Angry One“: „Die Europa League sollte für Vereine sein, die auch nur dort gespielt haben. So wie wir.“
Wahrscheinlich waren Mourinhos Aussagen schlichtweg die erste Attacke im verbalen Scharmützel, das der 54-Jährige vor wichtigen Duellen bekanntlich allzu gerne führt. Vielleicht hat er sogar Angst vor der jungen Ajax-Mannschaft – über genügend (Sach-)Verstand sollte Mourinho jedenfalls verfügen, um die Leistung der Niederländer anzuerkennen. Zumal sie in der Königsklasse bereits früh in den Play-offs scheiterten.
Mit erfrischendem Offensiv-Fußball war die blutjunge Truppe um den künftigen deutschen Nationalspieler Younes in der Europa League durch die Gruppen- und K.o.-Phase gestürmt. Vor allem bei Younes, der dank seiner Leistungen von Joachim Löw für den Confed Cup berufen wurde, ist das Selbstvertrauen groß. „Wir glauben an unsere Stärke und haben auch gegen ein Team wie Manchester eine Chance“, sagt der 23-Jährige, dem einst in der Bundesliga der Durchbruch verwehrt blieb: „Ich bin extrem stolz auf das, was wir erreicht haben.“
Ähnlich sieht es Trainer Peter Bosz, der kürzlich auch bei Borussia Dortmund im Gespräch war. „Wir waren gut“, bilanzierte er und sagte in Richtung Mourinho: „Sonst hätten wir das Finale nicht erreicht. Ich glaube, dass alle Niederländer, nicht nur Ajax-Fans, auf uns stolz sein können.“
Schließlich hat der 33-malige Meister den Verein und das Land wieder „ein wenig auf die europäische Landkarte gestellt“, sagte das 17 Jahre alte Supertalent Matthijs de Ligt, einer dieser jungen Wilden im Team mit einem Altersschnitt von knapp 23 Jahren. Als der UEFA-Cup-Sieger von 1992 im Halbfinale den Geheimfavoriten Olympique Lyon mit 4:1 schlug, waren sieben von elf Spielern der Startelf 21 Jahre oder jünger. Die Art und Weise wie Ajax auftrumpft erinnert an die große Ära.
In den glorreichen 1970er-Jahren war Johann Cruyff der König von Amsterdam gewesen, Mitte der 90er unter Trainer Louis van Gaal sorgten Stars wie Frank Rijkaard, Clarence Seedorf, Dennis Bergkamp oder Patrick Kluivert in Europa für Furore. Nun schicken sich Talente wie de Ligt, Kluivert-Sohn Justin (siehe Bericht rechts) oder Younes an, alte Zeiten wieder aufleben zu lassen.
Sollte die Chance heute genutzt werden, würde Ajax den ersten internationalen Titel seit 22 Jahren feiern. Die letzte Meisterschaft holte der Club 2014 – kein Wunder also, dass der Erfolgshunger riesig ist. „Wir wollen etwas in den Händen halten. Der Sieg in der Europa League wäre der Jackpot“, sagte Kapitän Davy Klaassen.
Einer hat jedoch was dagegen, er sitzt bei United auf der Bank. „Endspiele machen immer Spaß. Die Europa League ist ein großer, wunderschöner Wettbewerb, den ich gewinnen will“, sagte Mourinho. Sollte er es schaffen, wäre die Qualifikation für die Champions League perfekt – und das Jammern über Absteiger in die Europa League endlich beendet.