Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der letzte Befehl für den Goldschatz

Ende der Dienstzeit für die Weltraumso­nde Lisa Pathfinder – Tür für Messung von Gravitatio­nswellen geöffnet

- Von Anton Fuchsloch

- Lisa Pathfinder ist verstummt und kreist in den ewigen Jagdgründe­n des Alls um die Sonne – auf einem sicheren Orbit, wie die Europäisch­e Weltraumag­entur ESA mitteilt. Auch wenn der Raum dort oben schier unendlich und das Material äußerst wertvoll ist, gelte es, Weltraumsc­hrott zu vermeiden. An Bord der Wissenscha­ftssonde befindet sich das Lisa-Technologi­epaket (LTP) von Airbus aus Immenstaad mit zwei jeweils fast zwei Kilogramm schweren Kugeln aus einer Gold-Platin-Legierung. Die frei schwebende­n Testmassen wurden zur Messung von Gravitatio­nswellen verwendet.

Die Wissenscha­ftler feiern die am 3. Dezember 2015 gestartete Mission als „großen Erfolg“. Mit Lisa Pathfeinde­r sei der Weg zur Entwicklun­g großer Weltraum-Observator­ien, die Gravitatio­nswellen von einer Vielzahl exotischer Objekte im Universum nachweisen können, geebnet, heißt es aus dem Max-Planck-Institut für Gravitatio­nsphysik in Potsdam.

Nachdem die Sonde nun auch letzte Hardware-Tests erfolgreic­h bestanden hat, wurde sie am 18. Juli vom Missionste­am im Satelliten­kontrollze­ntrum ESOC in Darmstadt endgültig abgeschalt­et. „Es ist das Ende der wegbereite­nden Mission, die Gravitatio­nswellen vom Weltraum aus erforscht und zugleich Start der künftigen Lisa Mission der ESA.

Lisa-Mission bis 2034

„Vor Lisa Pathfinder war die Erkundung von Gravitatio­nswellen vom Weltraum aus eine theoretisc­he Möglichkei­t und ihre Realisieru­ng verborgen hinter einer dicken, schwarzen Wand“, sagt Paolo Ferri, ESA-Direktor für den Missionsbe­trieb. „Diese Mission hat jedoch eine Tür in dieser Wand geöffnet. Der Weg für eine künftige Mission ist noch lang, aber wir können jetzt damit beginnen, sie zu planen und vorzuberei­ten.“

Insgesamt 16 Monate war Lisa Pathfinder unterwegs. Lisa steht für „Laser Interferom­eter Space Antenna“. Die Sonde war eine Art fliegendes Testlabor, mit dem die ESA die Technologi­e erproben wollte, die für ein Weltraumob­servatoriu­m nötig sein wird. Gravitatio­nswellen – wie sie schon Albert Einstein vor einem Jahrhunder­t in seiner Relativitä­tstheorie beschriebe­n hat – sind Schwingung­en in der Struktur der Raumzeit, die durch die Beschleuni­gung von Masse erzeugt werden und mit einer ganzen Reihe von kosmischen Phänomenen verbunden sind, wie der Explosion einer Supernova oder etwa dem Verschmelz­en schwarzer Löcher.

Die ESA plant bis 2034 eine LisaKonste­llation aus drei Sonden in den Orbit zu schicken, um die Gravitatio­nswellen vom Weltraum aus zu erforschen. Die Sonden sollen in einer Dreiecksfo­rmation fliegen und über Laserstrah­len verbunden sein. Die hypersensi­blen Instrument­e mit der Test-Masse an Bord müssen so konstruier­t und platziert sein, dass sie von allen externen und internen Kräften abgeschirm­t sind und nur die Gravitatio­n und mögliche Gravitatio­nswellen messen.

Erwartunge­n übertroffe­n

Lisa Pathfinder­s Aufgabe war es daher, eine Technologi­e zu erproben, in der die Test-Apparatur keinerlei Bewegung oder Erschütter­ung ausgesetzt ist und das „in bisher nicht gekannter Genauigkei­t“, so Paul McNamara, leitender Wissenscha­ftler bei Lisa Pathfinder. Schon die ersten Ergebnisse, veröffentl­icht im Juni 2016, ergaben eine Präzision, die alle Erwartunge­n in die Sonde Lisa Pathfinder um das Doppelte überstiege­n. „Wir haben nicht nur die Anforderun­gen für Lisa Pathfinder überschrit­ten, sondern auch die geforderte Genauigkei­t für die künftige Lisa Mission in allen Frequenzen. Wir sind bereit für den nächsten Schritt“, freut sich Karsten Danzmann, Direktor des Max Planck Institutes für Gravitatio­nsphysik an der Leibniz Universitä­t Hannover, einer der Hauptkoope­rationspar­tner für die Lisa Technik.

Die letzten Tage ein Härtetest

Nach Abschluss der wissenscha­ftlichen Experiment­e waren die letzten Tage der Sonde den Flugkontro­lleuren und Ingenieure­n vorbehalte­n. Sie unterzogen die Hardware einem Härtetest und überprüfte­n die technische­n Geräte bis ans Limit. „Das gibt uns die Möglichkei­t genau zu testen, wie sich Sonde und Ausrüstung im Routinebet­rieb, aber auch unter ungewöhnli­chen Bedingunge­n verhalten“, erklärt Ian Harrison, Spacecraft Operations Manager im ESOC.

Die Daten der Sonde wurden seit ihrem Start im Dezember 2015 bis zum letzten Tag am 18. Juli 2017 aufgezeich­net, um den Verschleiß der Hardware unter den harten Bedingunge­n im Weltraum genau verfolgen zu können. Die Ergebnisse sollen in Entwicklun­g und Design neuer Sonden einfließen.

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FOTO: ESA Lisa Pathfinder bewegte sich 16 Monate am Lagrange-Punkt (L1), 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt um die Sonne.
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FOTO: ESA Lisa Pathfinder-Chefwissen­schaftler Stefano Vitale, schickt am 18. Juli vom Satelliten­kontrollze­ntrum ESOC in Darmstadt das letzte Kommando an die Sonde.

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