Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Glamour am Grünen Hügel
Kanzlerin Merkel und Königin Silvia kommen zur Eröffnung der Bayreuther Festspiele
- Wieder einmal der große Auftritt: Lächeln und Winken für die Fotografen auf dem nassen roten Teppich, diesmal im Regen unterm Schirm. Die Kanzlerin im apricotfarben schillernden Jackenkleid, ihr Gatte Joachim Sauer im Smoking – das große Schaulaufen der Promis auf dem Grünen Hügel zum Auftakt der Bayreuther Festspiele. Angela Merkel, das schwedische Königspaar, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer mit Gattin Karin und viele andere Persönlichkeiten kamen, um die Premiere der „Meistersinger“von Richard Wagner zu erleben. Für die Musik Richard Wagners nimmt Angela Merkel einiges in Kauf. „Ich verzichte gern auf meinen Urlaub, aber nicht auf Bayreuth“, soll sie einmal bekannt haben.
Wie schon in den vergangenen Jahren pilgert Merkel mit ihrem Gatten Joachim Sauer zunächst nach Bayreuth, danach geht es nach Südtirol ins Vier-Sterne-Romantikhotel „Marlet“und zum Wandern. Die weltberühmten Festspiele starteten gestern mit der Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg“(Regie: Barrie Kosky). Eigentlich ist dieser Jahrmarkt der Eitelkeiten nicht so recht nach Merkels Geschmack. Als sich im Bundestagswahlkampf 2005 beim Bayreuth-Besuch an einem Hochsommertag ein Schweißfleck unter der Achsel auf ihrem Kleid abgezeichnet hatte, beschäftigte dies damals noch tagelang die Boulevardund Klatschpresse. Doch inzwischen genießt Merkel den Festspiel-Rummel Jahr für Jahr. Was für eine Robe trägt die Kanzlerin diesmal? Spannung bei den Schaulustigen und Fotografen.
Angela Merkels modischer Coup im Frühjahr 2008 war tagelang Gesprächsstoff Nummer eins, nicht nur im politischen Berlin. Kühne Formen, auffällige Optik, damals zur Einweihung des neuen Opernhauses in Oslo hatte die Regierungschefin in einer Abendrobe mit tief ausgeschnittenem Dekolleté überrascht. Die Fotografen stürzten sich auf die deutsche Kanzlerin.
Nicht nur die Kanzlerin ist ein Hingucker für sie alle. Silvia und Carl Gustaf von Schweden verleihen der Eröffnung der 106. Bayreuther Festspiele königlichen Glanz. Lauter Jubel brandet auf, als die Skistars Rosi Mittermaier und Christian Neureuther auf dem roten Teppich erscheinen. Die „Tatort“-Schauspieler Harald Krassnitzer und Udo Wachtveitl sind da, ihre Kollegin Michaela May ebenso. Gloria Fürstin von Thurn und Taxis zählt zu den Stammgästen, ebenso wie zahlreiche Politiker. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) muss gar kurz anstehen, als es zum Stau auf dem roten Teppich kommt.
Beatles-Fan und Wagnerianerin
Die Liebe zur Oper begleitet Merkel bereits seit ihrer Kindheit. „Großartig“sei das gewesen, als sie ihre Eltern das erste Mal zu einer Felsenstein-Inszenierung von „Der Fiedler auf dem Dach“in die Komische Oper Berlin mitgenommen hätten. Häufige Besuche der Familie von Konzerten und Theateraufführungen weckten früh das Interesse bei ihr. Als Jugendliche besucht sie später öfter die Großmutter in Berlin und geht regelmäßig in die Staatsoper. Dort in den Opernhäusern gehört die bekennende Wagnerianerin auch heute noch zum Stammpublikum. Zu Hause in der Pfarrersfamilie, bei den Kasners, sei gerne musiziert worden, wenn auch nur auf „Blockflötenniveau“, wie die Kanzlerin bekennt. „Ich bin mit Musik groß geworden“, erzählte sie in Interviews. Angela Kasner, wie sie damals noch hieß, singt im Kirchenchor und nimmt jahrelang Klavierunterricht. Doch habe es ihr an Begabung gemangelt, bedauert Merkel heute. In ihrem Reisegepäck sei auch heute noch das Liederbuch „Die Mundorgel“mit dabei, heißt es. Ihre erste eigene Langspielplatte jedoch war keine klassische Aufnahme, sondern „Yellow Submarine“, von den Beatles, die sie in Moskau gekauft hatte.
Zur Hügelpilgerin und Wagnerianerin wurde sie durch ihren heutigen Mann Professor Sauer. 1991 besuchte sie erstmals die Festspiele in Bayreuth und gehört seitdem zu den treuesten Fans. „Wagner zwingt einen, sich der Musik zu widmen“, hat Merkel einmal erklärt.
Der Komponist hätte die Zuneigung der Kanzlerin wohl kaum erwidert, ließ er doch kein gutes Haar an Politikerinnen. Seinem Kollegen Franz Liszt schrieb er einmal: „Wir kennen in der Geschichte keine grausameren Erscheinungen als politische Frauen.“