Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Experte: „Sehr unübliches Großinsolvenzverfahren“
Drei Wochen durchatmen im Prozess um die Pleite der einst größten Drogeriemarktkette Europas. Das Stuttgarter Bankrott-Verfahren gegen Anton Schlecker macht Sommerpause. Eine Zwischenbilanz.
Was genau wird Schlecker vorgeworfen? Im Kern geht es darum, ob Anton Schlecker die Insolvenz seiner Drogeriekette erwartete und deshalb Geld beiseite geschafft hat, mit dem er als „eingetragener Kaufmann“hätte haften müssen. Schlecker ging 2012 in die Insolvenz. Die Staatsanwaltschaft meint aber, dass schon Ende 2009 die Zahlungsunfähigkeit drohte und der Gründer das gewusst hat. Sie wirft dem 72-Jährigen Bankrott vor. Er soll außerdem mehr als 25 Millionen Euro Firmengeld an seine Kinder verschoben haben, die wegen Beihilfe angeklagt sind. Im Konzernabschluss soll er den Zustand des Unternehmens falsch dargestellt und vor dem Insolvenzgericht falsche Angaben zur Lage gemacht haben.
Was sagt Anton Schlecker? Meistens nichts. An den meisten Verhandlungstagen hört der 72-Jährige nur schweigend zu. Gut eine Stunde lang hat er zu Beginn des Prozesses seine Sicht auf die Dinge dargelegt, und noch einmal vor gut einem Monat. Von der Fortführung der Drogeriekette sei er immer überzeugt gewesen. „Die Insolvenz für mein Unternehmen war für mich unvorstellbar.“Geldgeschenke und andere Zahlungen, mit denen er vor der Insolvenz Kinder und Enkel unterstützt habe, stünden in keinem Zusammenhang mit einer drohenden Zahlungsunfähigkeit. Sein Handeln sei nicht von dem Motiv getragen gewesen, Vermögen zu beseitigen.
Wie bewerten Experten den Fall? Ein von der Staatsanwaltschaft beauftragter Gutachter kam im Prozess zu dem Schluss, dass die Insolvenz schon Ende 2009 absehbar gewesen sei. Ein zweiter Experte, von der Verteidigung beauftragt, meint hingegen, dass Schlecker erst Ende 2011 habe absehen können, was seiner Firma droht. Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz sprach vor Gericht von einem „sehr unüblichen Großinsolvenzverfahren“– allein schon, weil der gelernte Metzgermeister Schlecker sein Milliarden-Imperium als Einzelkaufmann geführt hatte. Als einen Grund für den Niedergang nannte Geiwitz das zu lange Festhalten am Konzept mit vielen kleinen, unattraktiven Läden.
Wie geht es weiter? Nach der Pause steht der nächste Verhandlungstag am 4. September an – das Gericht tagt auswärts, in Ehingen an der Donau, wo Schlecker seinen Sitz hatte. Danach werden Zeugen in der Schweiz vernommen. Die Wirtschaftsstrafkammer hat für den ursprünglich bis Oktober geplanten Prozess vorsorglich weitere Termine festgelegt. Ungeklärt ist, was die Gläubiger einmal bekommen werden. Sie haben Forderungen in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro angemeldet. (dpa)