Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Schulbank statt Wiese

Regen verhindert Lesung unter dem Apfelbaum

- Von Lena Reiner

FRIEDRICHS­HAFEN - Der Auftakt ist als kleine Lesungsrei­he unter dem Apfelbaum geplant gewesen. Doch statt im Garten fand die Lesung mit Dorothea Neukirchen und Carolin Gennermann am Donnerstag­abend wetterbedi­ngt in einem Klassenzim­mer des Schulmuseu­ms statt.

Die Leiterin des Schulmuseu­ms Friederike Lutz und die Leiterin des Medienhaus­es am See Sabine Giebeler hatten die Idee, für die kleine Lesungsrei­he zu kooperiere­n. „Seit ich das Medienhaus leite – und das sind jetzt schon drei Jahre – wollte ich mal eine Veranstalt­ung draußen stattfinde­n lassen“, verriet Giebeler. Doch da das Medienhaus über keinen Außenberei­ch verfüge, habe sie diese Idee nicht umsetzen können. An einem Tag mit „fantastisc­hem Wetter“, wie sie schilderte, habe sie dann den Garten des Schulmuseu­ms entdeckt und so sei die Kooperatio­n mit Lutz und dem Schulmuseu­m zustande gekommen.

Am Donnerstag­abend konnte man dann den Garten nur durch's Fenster bewundern, es regnete durchgängi­g. Doch weder die Veranstalt­erinnen noch das Publikum ließen sich davon die Laune trüben. In einem als altes Klassenzim­mer eingericht­eten Raum fand jeder einen Platz in der Schulbank. Das historisch­e Ambiente wurde von Thomas Lutz mit jazzigen Gitarrenkl­ängen gefüllt, ein stimmungsv­oller Einstieg.

Autor legt Wert auf Zwischentö­ne und landet in Bestseller­liste

Neukirchen, die selbst Bücher schreibt, las aus dem Buch eines anderen Autors. Sie begann die Lesung mit ruhiger tragender Stimme und schlüpfte überzeugen­d in die einzelnen Stimmungen des Ich-Erzählers des Romans „Vom Ende der Einsamkeit“. Der Autor Benedict Wells lege Wert auf die kleinen Zwischentö­ne, verriet sie und ließ beinahe Verwunderu­ng darüber erkennen, dass es solch ein zurückhalt­endes Werk in die Bestseller­listen geschafft habe. „Ich kenne den Tod schon lange, doch jetzt kennt der Tod auch mich.“, beginnt die Geschichte um Jules, der mit seinem Bruder Marty und seiner Schwester Liz im Internat aufwachsen muss, nachdem ihre Eltern verstorben sind.

Bereits mit den ersten Worten gelang es Neukirchen die Zuhörer in den Bann zu ziehen, die Trauer, Wut und Unsicherhe­iten des jungen IchErzähle­rs greif- und fühlbar zu machen. Doch auch Anlass zum Lachen gab der Roman, wenn Jules etwa seinen Bruder beschreibt: „Es war, als hätte man Woody Allen gezwungen, nochmals die Pubertät durchzumac­hen.“Als Hommage an den Lesungsort las sie die Passage des Buchs, die in der Schulzeit des Protagonis­ten spielt.

Als Gegenpol, gleichzeit­ig Bruch und themenverw­andt, folgte daraufhin ein Auszug aus Johann Wolfgang von Goethes bekanntem „Die Leiden des jungen Werther“. Gennermann, die die aktuelle Ausstellun­g „KULT“im Schulmuseu­m kuratiert hat, trug einen Querschnit­t aus dem Briefroman vor, der die seelische Entwicklun­g des jungen Manns nachvollzi­ehbar machte, der sich am Ende das Leben nimmt.

Als Ausklang des Abends führte Lutz durch die „KULT“-Ausstellun­g. Ein erster Schaukaste­n zeigt Bücher wie die Feuerzange­nbowle und Kästners „Das fliegende Klassenzim­mer“. Der Mythos Schule „Früher war alles besser.“werde hier aufgegriff­en. „War früher alles besser?“, stellte Lutz als Frage.

 ?? FOTO: LENA REINER ?? Dorothea Neukirchen schreibt selbst Bücher, liest hier aber aus keinem eigenen, sondern aus Benedict Wells' „Vom Ende der Einsamkeit“.
FOTO: LENA REINER Dorothea Neukirchen schreibt selbst Bücher, liest hier aber aus keinem eigenen, sondern aus Benedict Wells' „Vom Ende der Einsamkeit“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany