Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Lindaus Fahnder kämpfen weiter gegen Sozialbetrug
Dieses Jahr schon mehr Fälle als 2016 – Dunkelziffer dürfte laut Polizei hoch sein
LINDAU (lz) - Noch immer kämpfen die Lindauer Schleierfahnder gegen Sozialbetrug. Flüchtlinge, die bereits in Italien registriert sind, pendeln mit dem Fernbus von Italien nach Deutschland, beantragen dort noch einmal Asyl und holen sich Sozialleistungen ab, die ihnen eigentlich gar nicht zustehen. Wie berichtet, haben die Fahnder mehr als 70 solcher Betrugsfälle vergangenes Jahr in Lindau und Pfronten aufgedeckt. Dieses Jahr sind es bereits fast 120. Der Trend scheint nicht abzureißen.
Für die Lindauer Fahnder ist es echte Sisyphos-Arbeit: Nacht für Nacht kontrollieren sie an der Grenze zu Österreich Fernbusse, die aus Deutschland ausreisen. Sie sammeln die Pässe der Fahrgäste ein und jagen deren Prüfnummern durch verschiedene Datenbanken. Wer sich verdächtig verhält, muss mit aufs Revier – Fingerabdrücke abgeben und das Gepäck durchsuchen lassen. Dort finden die Fahnder dann oft die Aufenthaltsgenehmigungen für Deutschland. „Uns zeigen die Flüchtlinge meist ihre italienischen Papiere, weil sie dort ja hin wollen“, erklärt Pfaff.
Bereits fast 120 Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl beantragt haben, obwohl sie bereits in Italien leben, haben die Fahnder in diesem Jahr schon erwischt. Manche von ihnen haben in Italien parallel ein Asylverfahren laufen, andere sind dort bereits anerkannt. Besonders dreiste leben überhaupt nicht als Flüchtling in Italien, studieren dort zum Beispiel. Einmal im Monat kommen sie nach Deutschland und holen sich Sozialleistungen ab.
Wenn die Fahnder einen mutmaßlichen Sozialbetrüger erwischen, melden sie es den zuständigen Behörden. Allerdings sind die in ganz Deutschland verteilt. Denn nur ganz selten haben sich die Flüchtlinge im Raum Lindau registrieren lassen. Oft bekommen die Fahnder überhaupt nicht mit, was aus den angezeigten Fällen wird. Das kann frustrieren. Doch Pfaff und seine Kollegen geben nicht auf: „Wir ziehen das Verfahren durch und versuchen so weit zu ermitteln, dass die Staatsanwaltschaft ein vollständiges Bild hat“, erzählt Pfaff im Gespräch mit der SZ. Das habe bereits zu einigen rechtskräftigen Strafbefehlen geführt. „Aber es ist ermittlungsund schreibintensiv.“
Obwohl die Lindauer Schleierfahnder viel kontrollieren, scheinen die beiden Flixbus-Linien FrankfurtRom und München-Turin über Lindau bei den Betrügern noch immer beliebt zu sein. Bereits im ersten Halbjahr 2017 haben die Fahnder mehr Sozialbetrüger erwischt als im gesamten vergangenen Jahr.
Flixbus für mehr Kontrollen
Flixbus selbst fragt bei der Buchung keinerlei Daten über die Herkunft oder den Reisezweck seiner Fahrgäste ab, wie Sprecher David Krebs auf Anfrage der Lindauer Zeitung schreibt. „Flixbus ist ein internationales Unternehmen und befördert mittlerweile Millionen Menschen unabhängig von Herkunft, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung und ihrem konkreten Reiseanlass, sofern sie bei Fahrtantritt ein gültiges Ticket vorweisen können“, so Krebs. Allerdings seien alle Fahrgäste mit grenzüberschreitender Verbindung dazu verpflichtet, ein gültiges Ausweisdokument mit sich zu führen. Zwar kontrollierten die Busfahrer, ob die Gäste Ausweise dabei haben, allerdings könne deren Gültigkeit und Richtigkeit von ihnen nicht überprüft werden. Flixbus würde es laut Krebs begrüßen, wenn die Polizei an Fernbus-Haltestellen mehr kontrollieren würde.
Bleibt die Frage, wie es überhaupt passieren kann, dass Flüchtlinge, die bereits in Italien registriert sind, in Deutschland noch einmal Asyl beantragen können. Denn das dürfte dank der Eurodac-Datei überhaupt nicht möglich sein: Dort sollten eigentlich die Fingerabdrücke aller in der EU registrierten Flüchtlinge gespeichert sein. Polizei und nationale Einwanderungsbehörden haben darauf Zugriff. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat eine Anfrage der Schwäbischen Zeitung noch nicht beantwortet.