Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
China sieht Schlüssel für Lösung der Nordkorea-Krise in Händen der USA
Neue UN-Sanktionen umgesetzt – Ukraine dementiert Raketenlieferungen an Nordkorea
PEKING (dpa) - Im Konflikt mit Nordkorea steckt China in der Zwickmühle zwischen den USA und seinem störrischen Nachbarn. Beide Seiten schaukeln sich seit Tagen mit ihrer Kriegsrhetorik hoch. Die Gefahr einer Fehlkalkulation und militärischen Eskalation wächst. China ist verärgert über Pjöngjangs nukleare Ambitionen, aber misstraut auch den USA. Dass auf Donald Trump wenig Verlass ist, demonstriert der US-Präsident aus chinesischer Sicht einmal mehr, indem er ausgerechnet jetzt einen Handelsstreit mit China anzettelt, wo er doch eigentlich seine selbsterklärte „Freundschaft“mit Staats- und Parteichef Xi Jinping am meisten brauchen könnte.
Die Gegensätze sind enorm: Auf der einen Seite ein amerikanischer Präsident, der Unberechenbarkeit und Bluff als staatsmännische Kunst kultiviert. Auf der anderen Seite Chinas Staatschef, der das Spiel durchschaut und sehr langfristig denkt. Trump glaubt, dass allein China die USA aus dem Schlamassel mit Nordkorea retten kann. Indem der US-Präsident im Handel die Schrauben gegenüber Peking anzieht, will er offenbar auch erreichen, dass China den Druck auf Pjöngjang erhöht und die Sanktionen streng umsetzt.
Mit dem am Montag verkündeten Importstopp für Kohle, Eisen, Meeresfrüchte, Blei und Erze aus Nordkorea unter den neuen UN-Sanktionen kappt China wichtige Geldströme. Aber Xi Jinping ist überzeugt, dass sich Nordkorea auch durch noch so scharfe Sanktionen nicht von seinem Atomkurs abbringen lassen wird. Er sieht den Schlüssel in den Händen der USA, die Nordkoreas Sicherheitsbedürfnisse ernst nehmen müssen: Im Gegenzug für eine Aussetzung des Atom- und Raketenprogramms sollten die USA und Südkorea ihre gemeinsamen Militärübungen einstellen, um so neue Gespräche zu starten.
China verfolgt drei Prioritäten: kein Krieg, keine Instabilität und keine Atomwaffen. In dieser Reihenfolge kommt der Status quo zuerst, die Beseitigung der Atomwaffen nur als langfristiges Ziel. China zögert, noch härtere Zwangsmaßnahmen wie eine Unterbrechung der Öllieferungen oder der Zugverbindungen zu ergreifen, die zu einem Kollaps in Nordkorea führen könnten. Ein Zusammenbruch könnte eine unkontrollierbare Situation auslösen und zu Flüchtlingsströmen und einer zwangsweisen Wiedervereinigung beider Koreas unter US-Führung führen. Das könnte nicht nur US-Truppen an Chinas Grenze bringen, sondern auch die geopolitische Balance verändern.
„China hat es schwer, irgendetwas zu tun“, sagt Jin Qiangyi von der Yanbian Universität. Dass Nordkorea seine Atomwaffen aufgibt, „ist nicht sehr wahrscheinlich“. So stünden die USA vor einer harten Entscheidung. Es gebe nur drei Möglichkeiten: „Erstens, ein Militärschlag gegen Nordkorea. Zweite Möglichkeit: die Spannungen dauern an.“Aber dann würde es am Ende wohl zu einer Eskalation kommen, glaubt der Experte. Als dritte Möglichkeit blieben nur: „Verhandlungen“.
Die für Sicherheitsfragen zuständigen EU-Botschafter sind in Brüssel zu einem Sondertreffen zur Nordkorea-Krise zusammengekommen. Derweil hat die ukrainische Führung Raketenlieferungen an Nordkorea dementiert. „Die Ukraine hat keine Raketentriebwerke oder sonstige Raketentechnologie an Nordkorea geliefert“, sagte der Sekretär des Sicherheitsrates, Alexander Turtschinow, in Kiew. Von der „New York Times“befragte Experten hatten den illegalen Kauf von Triebwerken aus der ehemals sowjetischen Raketenfabrik in Dnipro (früher: Dnjepropetrowsk) für möglich gehalten.