Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Özgür Aydin haucht dem Flügel eine Seele ein
Ein berührendes Abschlusskonzert der Langenargener Schlosskonzerte
LANGENARGEN - Wenn je ein Künstler seinem Instrument eine Seele einhauchen kann, dann ist es der türkisch-amerikanische Pianist Özgür Aydin, der immer wieder gern für seinen Freund, den musikalischen Leiter der Schlosskonzerte Peter Vogel, in Langenargen gastiert. Am Freitagabend hat er im ausverkauften Saal von Schloss Montfort das Abschlusskonzert der sommerlichen Konzertreihe zu einem besonderen Glanzpunkt gemacht.
Wie lebendig kam bereits Johann Sebastian Bachs Partita Nr. 1 B-Dur BWV 825 aus dem ersten Teil der „Clavierübung“für Cembalo oder Orgel herüber. Hochpräzise und zugleich ausdrucksvoll, ja impressionistisch ließ er die Partita unbefangen und frei ihre Geschichten erzählen: heiter dahinhüpfend, munter und lebensfroh, dann langsam und sinnierend, als versenke sich der Pianist in glückliche Erinnerungen, später rasch, doch ohne Hast Hell-Dunkel-Kontraste ausschöpfend, nachdenklich oder reich verziert wie die Sarabande, zuletzt in der Gigue die in Viertel durchlaufende Melodielinie mit nachschlagenden Achteltriolen versehend. Ungewöhnlich kurzweilig wirkte Aydins sehr persönliche und intime Interpretation. Ergreifend war danach Mozarts späte Klaviersonate Nr. 14 c-Moll KV 457 in ihrem dramatischen Kampf, ihrer Unruhe – ein Widerstreit zwischen Klage und Gebrochenheit und einem wachen, lebendigen Geist bestimmte den Kopfsatz.
Ganz in sich gekehrt tauchte der Pianist das Adagio in mildes Licht. Unendliche Zärtlichkeit und Liebe lag in dieser Musik, erhob sich aus dunklen Wolken und verglühte still. Tastend ging Aydin das Molto Allegro an, griff dann voller in die Tasten – schwankend zwischen Ruhe und Unruhe, in langsamem, fragendem Ringen um Lebenskraft. Mit Frédéric Chopins Scherzo Nr. 2 b-Moll op. 31 folgte erneut und noch heftiger ein Spiel der Kontraste. Mit feinstem Pinsel hingetupfte, traumverlorene Passagen verbanden sich mit vitaler Kraft. Ein Lebenskampf voll dramatischer Spannung zwischen innerem Aufruhr und durchgeistigter Schönheit.
Verzaubertes Publikum
Einen romantischen Seelenspiegel malte Aydin zuletzt mit Robert Schumanns „Kreisleriana“op. 16. Zärtlich wie eine innige Liebeserklärung war nach bewegtem Beginn die zweite Fantasie, wieder tauchte in großer Schlichtheit das liebende Bild auf, in das der Pianist viel Tiefe legte. Sinnend, als dürfe man die gefühlte Innigkeit nicht antasten, ließ er nach aufgewühltem Spiel die Melodie leise verklingen. Holpern und Pochen eines erregten Herzens folgte ebenso wie untergründiges Rumoren. In einem Spiel mit Tiefenschichten wechselten zuletzt Übermut und stolze Vitalität mit tiefer Ernsthaftigkeit. Wie ein Zauber lag es über den Zuhörern, ehe der Applaus losbrach.
Nach verspielten „Moments musicaux“von Schubert ließ Özgür Aydin den tief berührenden Abend mit Debussys „Clair de lune“stimmig ausklingen.