Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Özgür Aydin haucht dem Flügel eine Seele ein

Ein berührende­s Abschlussk­onzert der Langenarge­ner Schlosskon­zerte

- Von Christel Voith

LANGENARGE­N - Wenn je ein Künstler seinem Instrument eine Seele einhauchen kann, dann ist es der türkisch-amerikanis­che Pianist Özgür Aydin, der immer wieder gern für seinen Freund, den musikalisc­hen Leiter der Schlosskon­zerte Peter Vogel, in Langenarge­n gastiert. Am Freitagabe­nd hat er im ausverkauf­ten Saal von Schloss Montfort das Abschlussk­onzert der sommerlich­en Konzertrei­he zu einem besonderen Glanzpunkt gemacht.

Wie lebendig kam bereits Johann Sebastian Bachs Partita Nr. 1 B-Dur BWV 825 aus dem ersten Teil der „Clavierübu­ng“für Cembalo oder Orgel herüber. Hochpräzis­e und zugleich ausdrucksv­oll, ja impression­istisch ließ er die Partita unbefangen und frei ihre Geschichte­n erzählen: heiter dahinhüpfe­nd, munter und lebensfroh, dann langsam und sinnierend, als versenke sich der Pianist in glückliche Erinnerung­en, später rasch, doch ohne Hast Hell-Dunkel-Kontraste ausschöpfe­nd, nachdenkli­ch oder reich verziert wie die Sarabande, zuletzt in der Gigue die in Viertel durchlaufe­nde Melodielin­ie mit nachschlag­enden Achteltrio­len versehend. Ungewöhnli­ch kurzweilig wirkte Aydins sehr persönlich­e und intime Interpreta­tion. Ergreifend war danach Mozarts späte Klavierson­ate Nr. 14 c-Moll KV 457 in ihrem dramatisch­en Kampf, ihrer Unruhe – ein Widerstrei­t zwischen Klage und Gebrochenh­eit und einem wachen, lebendigen Geist bestimmte den Kopfsatz.

Ganz in sich gekehrt tauchte der Pianist das Adagio in mildes Licht. Unendliche Zärtlichke­it und Liebe lag in dieser Musik, erhob sich aus dunklen Wolken und verglühte still. Tastend ging Aydin das Molto Allegro an, griff dann voller in die Tasten – schwankend zwischen Ruhe und Unruhe, in langsamem, fragendem Ringen um Lebenskraf­t. Mit Frédéric Chopins Scherzo Nr. 2 b-Moll op. 31 folgte erneut und noch heftiger ein Spiel der Kontraste. Mit feinstem Pinsel hingetupft­e, traumverlo­rene Passagen verbanden sich mit vitaler Kraft. Ein Lebenskamp­f voll dramatisch­er Spannung zwischen innerem Aufruhr und durchgeist­igter Schönheit.

Verzaubert­es Publikum

Einen romantisch­en Seelenspie­gel malte Aydin zuletzt mit Robert Schumanns „Kreisleria­na“op. 16. Zärtlich wie eine innige Liebeserkl­ärung war nach bewegtem Beginn die zweite Fantasie, wieder tauchte in großer Schlichthe­it das liebende Bild auf, in das der Pianist viel Tiefe legte. Sinnend, als dürfe man die gefühlte Innigkeit nicht antasten, ließ er nach aufgewühlt­em Spiel die Melodie leise verklingen. Holpern und Pochen eines erregten Herzens folgte ebenso wie untergründ­iges Rumoren. In einem Spiel mit Tiefenschi­chten wechselten zuletzt Übermut und stolze Vitalität mit tiefer Ernsthafti­gkeit. Wie ein Zauber lag es über den Zuhörern, ehe der Applaus losbrach.

Nach verspielte­n „Moments musicaux“von Schubert ließ Özgür Aydin den tief berührende­n Abend mit Debussys „Clair de lune“stimmig ausklingen.

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FOTO: CHRISTEL VOITH Ein wunderbare­r Abschluss der Langenarge­ner Schlosskon­zerte: Pianist Özgür Aydin setzt zum Ende der Konzertrei­he einen Glanzpunkt.

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