Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Vier unterschie­dliche Religionen in 60 Jahren

Elmar L. Kuhn spricht auf dem Hof Milz über die Reformatio­n in Oberschwab­en und am See

-

KRESSBRONN-RETTERSCHE­N (hv) Mit so großem Andrang hat Petra Sachs-Gleich nicht gerechnet, als sie am Freitagabe­nd in der Hofanlage Milz den ehemaligen Leiter des Kreiskultu­ramtes, Elmar L. Kuhn, begrüßte. Petra Sachs-Gleich stellte den gebürtigen Kressbronn­er kurz vor: „Er ist und bleibt der beste Kenner der Regionalge­schichte.“Dann begann Elmar Kuhn mit der Aussage, dass sein Vortrag über die Reformatio­n in Oberschwab­en und am Bodensee den Zuhörern einiges abverlange­n werde.

Eine Erkenntnis: Am Bodensee ist die Zersplitte­rung Kuhn zufolge im Gegensatz zum Rest des Reichsgebi­etes in sehr viele und oft recht kleine Herrschaft­sgebiete prägend, vergleichb­ar allenfalls Franken. Die Menschen hatten keine weiten Wege, um sich über Neuerungen in der Religion zu informiere­n. Der Referent schilderte zunächst die Situation der Kirche im Spätmittel­alter. Vieles lag damals im Argen. Reiche Pfarrherre­n erwarben sich weitere Pfarreien, die dann mit schlecht ausgebilde­ten und schlecht bezahlten Geistliche­n besetzt waren. Das Konkubinat war weit verbreitet. Und dann kam mit Luther ein bis dahin unbekannte­r Mönch und Professor, der in seinen 95 Thesen all die Missstände anprangert­e und auf Reformen hoffte. Kuhn stellte auch die Lehren der anderen Reformator­en Zwingli und Calvin vor und betonte, dass damals wegen feiner Unterschie­de, die heute kaum jemand kümmerten, Kriege geführt wurden.

Uneinheitl­iche Landschaft

Kuhn stellte die Entwicklun­g vor, die auch geprägt war von den Kriegen, die Kaiser Karl V. gegen den Erzrivalen Frankreich und die Türken führte. Der Kaiser brauchte Geld und das bedeutete Zugeständn­isse an die protestant­ischen Fürsten, die zeitweise mit den katholisch­en zusammenar­beiteten, um den Kaiser in Schach zu halten.

Uneinheitl­ich war die religiöse Landschaft. Eine gewisse Ruhe kam erst hinein, als festgelegt wurde, dass der jeweilige Landesherr die Religion seiner Untertanen bestimmte. So haben die Laimnauer innerhalb von 60 Jahren viermal die Religion wechseln müssen. Schwierig wurde die Situation in den freien Reichsstäd­ten, wo der Rat das Sagen hatte. Während der oberschwäb­ische Adel und die Prälaten dem katholisch­en Habsburg anhingen und auf der alten Religion beharrten, wollten die Zunftbürge­r, vor allem die Weberzünft­e, die Reformatio­n. Kuhn verglich die Entwicklun­g in Ravensburg und Lindau, zog auch Überlingen mit heran.

Es dauerte, bis die alte Kirche Reformen anstieß. Das große Konzil zu Trient habe nur sehr zögerlich eine Erneuerung gebracht, denn statt mit der erhofften Kirchenref­orm befasste es sich lange mit dogmatisch­en Fragen. Auf evangelisc­her Seite habe es schließlic­h genauso wenig „Freiheit des Christenme­nschen“gegeben wie auf katholisch­er. Rigide Verordnung­en zu sittlicher Lebensführ­ung schränkten dort den Lebensgenu­ss ein, während die katholisch­en Gegenden der Lebensfreu­de mehr Raum boten.

 ?? FOTO: HELMUT VOITH ?? In einem umfassende­n Vortrag beleuchtet Elmar L. Kuhn die Reformatio­n in Oberschwab­en und am Bodensee.
FOTO: HELMUT VOITH In einem umfassende­n Vortrag beleuchtet Elmar L. Kuhn die Reformatio­n in Oberschwab­en und am Bodensee.

Newspapers in German

Newspapers from Germany