Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Die Promenade der Weitsicht
Zum Artikel „Flaniermeile offiziell eingeweiht“, SZ vom 21.August:
Man stelle sich vor, die jetzt eröffnete Promenade wäre nur ein Trampelpfad unterhalb und entlang einer mannshohen Mauer des Bodangeländes geworden. Dann hätten der Minister und der Bürgermeister ihre Lobeshymnen auf diese weitsichtige Entscheidung wohl mit hochgekrempelten Hosen im knöcheltiefen Wasser stehend zelebrieren müssen. Die Köpfe über die 1,80 Meter hohe Mauer reckend hätten sie 180 Luxuswohnungen in unmittelbarer Ufernähe in 20 vierstöckigen Blöcken erkennen können, deren Bewohner vermutlich mit Verwunderung diese Zeremonie verfolgt hätten. Warum ist es nicht so weit gekommen?
Erinnern wir uns: In einer denkwürdigen Bürgerversammlung im Februar 2011 stellte der damalige Bürgermeister eine Investorenplanung vor, die weder eine öffentliche Promenade noch ein zu erhaltendes Gebäude der ehemaligen Bodanwerft vorsah. Dieser Vorschlag wurde von der Gemeindeverwaltung und der Mehrheit des Gemeinderates mit großem Wohlwollen mitgetragen. Im Gemeinderat fiel die Aussage, das alte Zeugs da unten müsse weg. Warum kam es letztlich anders? Weil eine Gruppe von Bürgern solch eine Vermarktung des Seeufers nicht akzeptieren wollte und Alternativen zu einer reduzierten Bebauung landeinwärts und einer breiten öffentlichen Promenade entwickelte.
Sie ließ sich auch nicht durch die Behauptung des Rathauses beeindrucken, dass schnellstens über die Pläne zu entscheiden sei, da nur so eine Insolvenz der Bodanwerft mit all ihren negativen Folgen zu verhindern sei. Durch die Initiative der kritischen Bürger wurde das Denkmalschutzamt auf den Vorgang aufmerksam und stellte eine Reihe von Gebäuden 2011 unter Schutz. Der Beharrlichkeit dieser Bürger sowie einiger Gemeinderäte und den konstruktiven Vorschlägen der Bürger ist es letztlich zu verdanken, dass schließlich auch im Gemeinderat ein Umdenken stattfand. Dass sich die Politiker auf lokaler und Landesebene anlässlich der jetzigen Eröffnungsfeier nicht an die wirkliche Geschichte erinnern wollten, sondern sich selbstgefällig gegenseitig für ihre Weitsicht lobten, war fast schon zu erwarten.
Hubert M. Schuh, Kressbronn