Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Flemings letztes Puzzle
Für den Bundestrainer ist die EM das letzte Turnier – NBA winkt im Anschluss
BERLIN (SID/dpa) - Sommer für Sommer hat Chris Fleming das gleiche Problem. Wer sagt ab? Wer darf nicht? Wer kommt? Wer bleibt? Mühevoll bis frustrierend war die Suche des Bundestrainers nach den besten deutschen Basketballern in seiner Amtszeit – auch in den vergangenen Wochen. Zumindest diesen Teil seiner Aufgabe wird der US-Amerikaner kaum vermissen, wenn er nach der EM aufhört.
Vor gut zweieinhalb Jahren hatte der heute 47-Jährige den Posten übernommen. Er kann nicht weitermachen, weil er gleichzeitig Assistenztrainer beim NBA-Club Brooklyn Nets ist und die Nationalmannschaften im Gegensatz zur bisherigen Praxis künftig auch während der Clubsaison spielen werden. Eine unlösbare Überschneidung, der langjährige Bundesligacoach geht unfreiwillig.
Seine letzte Station ist die 40. EM (31. August bis 17. September) in Israel und der Türkei. Am Donnerstag geht es für die deutsche Mannschaft in Tel Aviv los, mindestens fünfmal steht Fleming noch an der Seitenlinie. Einen besonderen persönlichen Druck verspürt er nicht, die Situation sei wie vor zwei Jahren. „2015 war ich mir nicht sicher, ob ich den Job 2017 mache. Ein gesundes Maß an Druck gehört dazu.“
Es soll diesmal weitergehen als damals, in Berlin war schon nach der Gruppenphase alles vorbei. „Nach einem guten Abschluss in der Vorrunde sind alle Türen offen“, sagt der Bundestrainer, fordert aber eine Portion Zurückhaltung: „Wir müssen als Mannschaft, als Verband, in der Gegenwart bleiben, weil wir so spät zusammengekommen sind.“
Spitzenspieler Dennis Schröder ist da schon etwas offensiver. „Wir sind nah an unserem Höchstlevel“, sagte Schröder. Eine Niederlage wie in fünf der acht Testspiele darf sich die Auswahl gleich zu Turnierbeginn gegen den wohl schwächsten Gruppengegner nicht erlauben. Die weiteren Aufgaben Georgien, Israel, Italien und Litauen dürften schwieriger werden – die besten vier Teams erreichen das Achtelfinale in Istanbul.
Aber unter den gegebenen Bedingungen ist das alles andere als ein Selbstläufer. Fleming hat mal wieder ein kompliziertes Personalpuzzle hinter sich. Die NBA-Profis Paul Zipser (Chicago Bulls) und Maximilian Kleber (Dallas Mavericks) haben für die EM abgesagt, Daniel Theis (Boston Celtics) kam in der Vorbereitung erst sehr spät zur Mannschaft und reiste dann wegen Verpflichtungen bei seinem neuen Club für eine Woche in die USA.
„Er war erst bei uns, dann hat er fünf Tage in Boston gearbeitet. Jetzt ist er wieder hier. Da musst du die Festplatte löschen“, sagt Fleming. Der Fall Theis ist ein Sinnbild. Es gibt zwar mehr deutsche NBA-Profis als je zuvor, aber es stehen eben nur zwei von fünf zur Verfügung. Neben Theis ist das Schröder (Atlanta Hawks), einziger voll etablierter Nationalspieler in der Topliga.
„Wir müssen als Mannschaft, als Verband, in der Gegenwart bleiben.“Chris Fleming
Der Zuwachs ist für Fleming trotz aller Hindernisse „ein Segen“, habe aber „natürlich auch eine Kehrseite. Trotzdem müssen wir von Sommer zu Sommer sehen, dass wir so viele Jungs wie möglich in der Nationalmannschaft haben. Das ist ausschlaggebend für das Wachstum.“
Fleming hat deshalb eine harte Linie gewählt. Nachdem Tibor Pleiß im Vorjahr während der EM-Qualifikation wegen seiner Clubsuche abgereist war, strich der Trainer den Center für das Turnier. Viel schwerer fiel es ihm, Bastian Doreth als letzten Spieler aus dem Aufgebot für Israel zu nehmen. „An 99 Prozent der Tage genieße ich meinen Job. Aber das zu tun, war sehr hart“, sagte Fleming. Der Guard habe immer zur Verfügung gestanden.
Das Engagement hat Fleming gewürdigt. „Es war klar, dass ich in diesem Sommer aufhöre. Ich habe unseren Teammanager gefragt, ob er mir ein Trikot besorgen kann für meine Wand in Brooklyn“, erzählte Fleming nach der EM-Generalprobe gegen Frankreich (79:85) in Berlin. „Er fragte, willst du Dennis oder Daniel? Und ich habe gesagt, ich will Doreth haben, unterschrieben.“