Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Steinhausens Linde hat Pülverchen eigentlich nicht nötig
Steinhausen bei Bad Schussenried ist das Gegenteil einer pulsierenden Metropole. Doch eine Berühmtheit hat auch das 450 Seelen zählende Dorf: die barocke Wallfahrtskirche. Von dort aus kann der liebe Gott durch die Kirchenfenster den Köchen im benachbarten Landgasthof Linde über die geschäftigen Schultern schauen. Und was er da zu sehen bekommt, dürfte ihm mal gut gefallen, mal aber auch wundern. Entzückt wäre er jedenfalls vom aufmerksamen Service in klassischem Schwarz. Die Speisekarte hält Verheißungsvolles bereit: nicht nur Altbekanntes wie den im Schwäbischen unumgänglichen Zwiebelrostbraten, sondern auch das ein oder andere Gericht mit Witz, wie etwa die „Lasagne von Pfifferlingen und Brezenknödel“als Vorspeise. Dabei spielen natürlich die frischen
Pilze, die übrigens von makelloser
Qualität sind, die Hauptrolle. Aufgeschichtet zwischen knusprig-dünnen Knödelscheiben hinterlassen sie in Verbindung mit einer sahnigen Sauce einen tadellosen Eindruck. Ebenfalls gut: Die um die Lasagne gerankten Salate sind höchst knackig, ein mild-säuerliches Dressing überzieht das Grün mit frischem Geschmack.
Eine andere Vorspeise fällt indes durch: Der Salat mit Tomaten und Mozzarella ist optisch zwar noch ganz hübsch anzusehen, doch die Substanz enttäuscht. Die Tomaten sind weit von optimaler Reife entfernt und der Käse schmeckt nach geronnener Langeweile. Durch seine quadratischen Scheiben ist er gewiss von Vorteil für die effiziente Verarbeitung in der Küche. Am Gaumen hat er aber nur Nachteile, weil er das kulinarische Verhalten von Gipswasser besitzt. Ihm fehlt der typische Schmelz eines echten Mozzarellas und dessen sanfte Bitterkeit. Bei einem Von Erich Nyffenegger Preis von sieben Euro wäre durchaus Luft für einen vernünftigen Käse.
Gottlob geht mit dem Hauptgang schnell wieder die kulinarische Sonne auf, und zwar in Form des in unserer Region praktisch nie auf den Speisekarten stehenden Haxenfleischs vom Kalb. Durch die lange Schmorzeit hat es sich zu einer mürben Köstlichkeit verwandelt. Ein intensives Aroma geht von ihm aus, das auch die rahmige Sauce erfasst. Die ist allerdings „industriell ein wenig verlängert“, wie der grundehrliche Kellner auf Nachfrage sofort zugibt. Das ist schade, weil ein Schmorgericht das nicht nötig hat, und es einer ansonsten in weiten Teilen handwerklich arbeitende Küche nicht zur Ehre gereicht. Dann lieber weniger Sauce, dafür komplett echte. Unwiderstehlich lang und dünn sind die vor Eigelb nur so glänzenden Spätzle, die dem Haus wiederum alle Ehre machen. Bei den Brezenknödeln mit Pfifferlingen klappt es übrigens auch ausgezeichnet, das zumindest ist der Eindruck am Gaumen, den diese aromatische Sahnigkeit zurücklässt. Die Knödelscheiben sind recht weich, ohne aber schwammig zu werden.
Zum guten Schluss lässt der Kellner eine kleine Parade erfrischender Fruchtsorbets aufmarschieren. Damit schlüpfen Zwetschgen, Erdbeeren und Mangos in ihre eiskalte Rolle und verbessern den Gesamteindruck in Verbindung mit der Bitte, die Grenzen einer handgemachten Küche nicht mit „industriell Verlängertem“zu verwischen. Das hat die Linde nämlich überhaupt nicht nötig.
Landgasthof Linde
Ingoldinger Straße 2
88427 Bad Schussenried
Tel. 07583-2381 www.zur-linde-steinhausen.de Geöffnet Mittwoch bis Sonntag ab 11 Uhr durchgehend, nachmittags keine warme Küche, dienstags ab 17 Uhr, Montag Ruhetag. Hauptgerichte 12-24,30 Euro, Menü ab 20,40 Euro.
Weitere „Aufgegabelt“-Folgen: www.schwäbische.de/aufgegabelt