Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
... und alle Fragen offen
Natürlich war es ein Stück weit Wahlkampf. Während SPDHerausforderer Martin Schulz am Gillamoos mehr Gerechtigkeit verspricht, versichert Angela Merkel im Kanzleramt den Städten dieser Republik, sie nicht allein zu lassen mit der Dieselproblematik. Doch wer redet über die 15 Millionen Dieselfahrer, die nicht mehr wissen, was ihr Auto wert ist? Wer über die gut 6,3 Millionen Besitzer von Dieselfahrzeugen der Euro-4-Norm oder darunter, die statt Entschädigungen eine Art Rabattaktion der Automobilkonzerne bekommen, die damit ihren Verkauf ankurbeln? Vor einer Enteignung für viele Pendler warnt bereits der deutsche Städte- und Gemeindebund.
Die Frage aber, ob nun nächstes Jahr Fahrverbote in 80 Kommunen kommen oder nicht, konnte Angela Merkel nicht beantworten. Fest steht nur: Wenn sie kommen, dann nach der Wahl.
So wichtig und richtig auch jede Art von Spitzentreffen zu der Thematik ist, der einzelne Verbraucher wüsste schon gerne, was mit seinem Besitz ist. Gruppenklagen, wie sie in den USA üblich sind, hätten schon längst eingeführt werden müssen, damit Verbraucher sich gegen Konzerne wehren können.
Die andere Seite, die versprochene Millionen-Hilfe für die Kommunen bei der Nachrüstung des öffentlichen Personenverkehrs, ist nötig. Gabriels E-Auto-Prämie war ein Flop. Um so wichtiger ist es, neue Strukturen zu schaffen, zu sehen, woran es mangelt. Wenn Stuttgarts Oberbürgermeister berichtet, dass er 43 neue E-Dienstwagen gar nicht in Deutschland kaufen kann und dass er E-Busse nur in Polen oder China bestellen kann, sinnigerweise mit Dieselheizung, dann gibt es noch viel zu tun.
Die Politik greift allzu oft ein, wenn es schon sehr spät ist. Natürlich wird man nicht alle Deutschen aufs Fahrrad bekommen, aber ein besseres Angebot im öffentlichen Nahverkehr, Jobtickets wie in Stuttgart und eine bessere Ladestruktur für E-Autos wären schon einmal gute Schritte, um für mehr saubere Luft zu sorgen.