Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Einigkeit ist nicht in Sicht
Der Europäische Gerichtshof hat die Klage von Ungarn und der Slowakei abgewiesen, die keine Flüchtlinge aus überlasteten EU-Mitgliedsstaaten aufnehmen wollen. Der Lissabon-Vertrag, so argumentiert das Gericht, stellt in Notsituationen Solidarität über Konsens. Das ist ein wichtiges Signal dafür, dass das Gemeinwohl Vorrang vor nationalen Einzelinteressen haben sollte. Ein Etappensieg auf dem Weg zu einem gerechteren Verteilsystem für Flüchtlinge in Europa ist es hingegen nicht.
Denn an der grundlegenden Haltung, das Thema möglichst zu verdrängen und nur dann zu reagieren, wenn es an der eigenen Landesgrenze turbulent wird, hat sich bei den meisten Mitgliedsstaaten nichts geändert. Deutschland muss man zugute halten, dass es als EU-Binnenstaat nur indirekt von dem Problem betroffen ist und sich dennoch seit geraumer Zeit für eine Reform der Dublin-Verordnung einsetzt. Die sieht vor, dass ein Flüchtling in dem Land versorgt werden muss, wo er europäischen Boden betritt. Will die EU aus dem Dauerkrisenmodus herauskommen, muss sie sowohl die Einwanderungs- als auch die Flüchtlingspoltik völlig neu ordnen. An Länderquoten und weiteren Abkommen mit Durchreise- und Herkunftsländern führt kein Weg vorbei. Doch derzeit ist die dafür nötige Einigkeit nicht in Sicht.
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