Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
„Buchhaltung ist langweilig, aber essenziell“
Mathis Wackernagel spricht im Kiesel über die Erfolgsstrategie der Nachhaltigkeit
FRIEDRICHSHAFEN - Wie viel Ressourcen der Erde verbrauchen die Menschen und wie lassen sich die vorhandenen Ressourcen überhaupt bemessen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt eines Vortrags von Mathis Wackernagel, Präsident des Global Footprint Network in Kalifornien. Die Veranstaltung fand im Rahmen einer Kooperation von Rework, der grünen Hochschulgruppe der Zeppelin-Universität und des Medienhauses am See im Kiesel statt.
Der renommierte Wissenschaftler ist einer der Erfinder des sogenannten ökologischen Fußabdrucks, der eine Art Buchhaltungssystem für die Umweltressourcen der Erde darstellt. Auf der Angebotsseite wird gemessen, welche Flächen der Planet hat: Wälder, Felder, Seen, Meere, Wüsten, Weiden, Steppen, Straßen und Städte. Dabei wird auch die unterschiedliche „biologische Produktivität“der Erdoberfläche berücksichtigt. Das Ergebnis entspricht der Biokapazität der Erde. Auf der Nachfrageseite wird berechnet, wie viel Biokapazität die Menschen nutzen. Dazu gehören Energiegewinnung, Bauland und Viehzucht, denn jedes Wirtschaften beansprucht Fläche. Auch Abfälle und Abgase muss die Umwelt verarbeiten. Mit dem ökologischen Fußabdruck kann man Angebot und Nachfrage vergleichen.
Zu Beginn seines Vortrags verglich Wackernagel die Welt mit einem Flugzeug. Beides seien hochkomplexe Systeme. Dabei wisse der Pilot genau, wie viel Treibstoff insgesamt zur Verfügung steht und wie viel er braucht, um heil ans Ziel zu kommen. Für die Welt gebe es leider keine Ressourcenanzeige mit dem Ergebnis, dass die Welt übernutzt ist. In nicht allzu ferner Zukunft seien die Ressourcen erschöpft.
60 Zuhörer im Kiesel
Welche Strategien es gibt, um dem drohenden „Overshoot“zu entgehen, erläuterte der gebürtige Schweizer den rund 60 Zuhörern im Kiesel. Dazu gehören aus seiner Sicht vier Bereiche: ein kompakter Städtebau, der zu weniger Verkehr und Flächenverbrauch führt, eine umweltfreundliche Energieproduktion, ökologische Landwirtschaft und eine Begrenzung des Bevölkerungswachstums. „Der Rückgang der Bevölkerungszahlen kann ein Wettbewerbsvorteil sein“, berichtete er. Er empfahl, jede Investition auf ihren Nutzen, vor allem im Hinblick auf den Klimawandel, zu überprüfen. Das Thema Nachhaltigkeit solle mehr unter dem Aspekt des Erfolgs und der wirtschaftlichen Notwendigkeit gesehen werden. Nur wer im Hinblick auf die vorhandenen Ressourcen nachhaltig wirtschafte, könne langfristig Erfolg haben.
„Buchhaltung ist langweilig, aber essenziell“, sagte er in diesem Zusammenhang. In der Wirtschaft sei immer noch weitgehend die Meinung verbreitet, Nachhaltigkeit sei ein Verlustgeschäft, dabei sei sie längst eine Erfolgsstrategie. Über den ökologischen Fußabdruck hat der Wissenschaftler zusammen mit Bert Beyers ein Buch geschrieben. In „Footprint. Die Welt neu vermessen“legt Wackernagel eine Bestandsaufnahme der Ressourcensituation der Erde vor. Es zeigt, wo die Grenzen liegen und was Städte, Regionen, Länder, Unternehmen und Menschen tun können, um innerhalb des Ressourcenbudgets des Planeten gut zu leben.