Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Im „Vision Zero Vehicle“auf dem Weg zum unfallfreien Fahren
In einem eigens für die IAA gestalteten Fahrzeug zeigen ZF-Ingenieure, wie sie Abgase und Zusammenstöße vermeiden wollen
FRIEDRICHSHAFEN - Keine Unfälle, keine Abgase – dieses Ziel gibt ZF für die Mobilität der Zukunft aus. Wie weit der Konzern auf dem Weg dorthin ist, soll das „Vision Zero Vehicle“zeigen, das „Vision Null Fahrzeug“. Ab kommender Woche ist es auf der Automesse IAA in Frankfurt zu sehen. Martin Hennings ist schon vorher eingestiegen.
Ganz ehrlich: Es ist ein sehr, sehr komisches Gefühl, wenn der Fahrer bei Tempo 40 das Lenkrad loslässt, sich nach hinten dreht und sagt: „So, und jetzt fahren wir autonom.“Okay, wird sind auf einer Teststrecke an der slowakisch-österreichischen Grenze, haben keinen Gegenverkehr und rasen auch nicht wirklich. Aber trotzdem fährt das „Vision Zero Vehicle“ohne jeglichen Eingriff von außen elegant und exakt an Hindernissen vorbei und weiß auch gut, wann in einer Kurve wie zu lenken ist. Faszinierend, aber auch irgendwie sehr gewöhnungsbedürftig.
Bevor die ZF-Entwickler ziemlich viel von dem, was sie können, in das Auto gesteckt haben, war es mal ein VW Touran. Jetzt ist es ein HighTech-Konzeptfahrzeug, das vor allem zeigen soll, wie der Verkehr der Zukunft sicherer werden kann. Auch die Themen Lärm und Abgase spielen zwar eine Rolle (der elektrische Hinterachsantrieb macht die Parksuchfahrt in der Innenstadt leise und emmissionsfrei), doch im Mittelpunkt steht die Sicherheit.
„Null Verkehrsunfälle und null Emissionen werden erst möglich, wenn alle Transportmittel elektrisch, autonom und vernetzt fahren. Daran arbeiten wir mit Hochdruck“, sagt Stefan Sommer, Vorstandsvorsitzender der ZF Friedrichshafen AG. „Insbesondere für die Übergangsphase vom assistierten zum autonomen Entgegenkommender Gurt.
Fahren brauchen wir fortschrittliche, integrierte Sicherheitssysteme, um die Sicherheit der selbst fahrenden, als auch der pilotierten Insassen weiter zu erhöhen.“
So hat der Wagen einen „Driver Distraction Assist“, der dank lernfähiger, laserbasierter Innenraumkameras erkennt, wenn der Fahrer abgelenkt ist, also nicht auf die Straße, sondern sein Handy, die Kinder auf dem Rücksitz oder in die Landschaft schaut. Jeder zehnte Verkehrstote ist laut ZF auf diese Ursache zurückzuführen. Das System warnt optisch, akustisch und auch haptisch, indem der Gurt gestrafft wird (und zwar mit Schmackes. Man sollte bei der Gelegenheit keinen Kuli in der Brusttasche stecken haben). Zudem hält der Wagen zunächst die Spur und bremst dann, wenn der Fahrer immer noch nicht reagiert, soweit ab, bis das Auto am Straßenrand stehen bleibt.
Besser keinen Kuli einstecken
„Wrong-way Inhibit“heißt die Funktion, die verhindert, dass Geisterfahrer auf eine Autobahn gelangen. Auch hier warnt der Wagen zunächst, erhöht den Lenkwiderstand beim falschen Abbiegen und stoppt dann, bevor eine Gefahrensituation entstehen kann. Zugleich werden Licht und Warnblinker eingeschaltet, um andere zu informieren. Welcher Weg falsch oder richtig ist, weiß das System über digitale Karten, die laufend aktualisiert werden, und mit Hilfe von Kameras, die Verkehrsschilder und Fahrbahnmarkierungen erkennen und auswerten können.
Kinderleicht anschnallen
Auch das Thema Komfort spielt im „Vision Zero Vehicle“eine Rolle. So finden sich in dem ehemaligen Touran beleuchtete Gurtschlösser, die vor allem nachts eine echte Hilfe sein können. Zudem gibt es die Möglichkeit, die normalerweise im Sitz versteckten Schlösser herausfahren zu lassen. Jeder, der mal einen Kindersitz anschnallen musste, wird die Funktion zu schätzen wissen.
Schließlich kann das Fahrzeug auch noch über die Hinterachse gelenkt werden. Das hilft beim weichen Umfahren von Hindernissen, eine Eigenschaft, die in autonomen Autos, in denen die Insassen wahrscheinlich nicht mehr fest angeschnallt hintereinander sitzen werden, sehr wichtig werden dürfte. Für den mit derlei Zukunftsmusik wenig Vertrauten fühlt sich so ein Hinterachslenkvorgang übrigens ein bisschen an, wie wenn das Auto sanft über Eis schlittert.