Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Kurden-Präsident Massud Barsani vor dem politischen Aus
Im Streit mit Bagdad um die Autonomiebestrebungen der irakischen Kurden werden die Wahlen des Präsidenten und des Abgeordnetenhauses in der Region verschoben. Drei bedeutende kurdische Parteien einigten sich darauf, dass die Abstimmung statt am 1. November erst acht Monate später abgehalten wird. Nach einem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum vor einem Monat, dem mehr als 92 Prozent der Wähler zustimmten, hatten die Spannungen zugenommen. Mit „Engelszungen“hatte Brett McGurk, der US-Sondergesandte für den Kampf gegen den „Islamischen Staat“(IS), den Präsidenten der kurdischen Autonomieregion im Nordirak, Massud Barsani (Foto: dpa), davon zu überzeugen versucht, dass das Unabhängigkeitsreferendum „zum falschen Zeitpunkt“käme. „Haltet ihr an dem Termin fest, könntet ihr alles verlieren“, soll der Amerikaner den 71-jährigen Politiker gewarnt haben. Doch Barsani glaubte sich nach dem erfolgreichen Kampf seiner Peschmerga gegen den IS in einer Position der Stärke. Dabei würde ein Blick auf die Landkarte genügen, um zu begreifen, dass ein kurdischer Binnenstaat ohne das Wohlwollen der Iraker, Iraner und Türken, die den Kurdenchef ebenfalls vor den Folgen des Referendums gewarnt hatten, nicht überlebensfähig ist. „Barsani hat sich verzockt“, kommentierte ein westlicher Diplomat in Arbil den „unverständlichen Alleingang des Kurden“. Jetzt müsse er den politi- schen Preis dafür bezahlen. Um wenigstens die kurdische Autonomie zu retten, forderte die einflussreiche kurdische Oppositionspartei Goran den Rücktritt Barsanis. Eine Regierung der „Nationalen Errettung“müsse in Gesprächen mit Bagdad, Teheran und Ankara versuchen, die Krise zu überwinden. Auch die Patriotische Union Kurdistans (PUK), die von Barsani für den „nationalen Verrat in Kirkuk“verantwortlich gemacht wird, legte dem Kurdenführer den Verzicht auf sein Amt nahe. Barsani wurde seit dem Unabhängigkeitsvotum nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen. „Seine Partei ist in Kurdistan selbst, im Irak und im Mittleren Osten isoliert“, sagt Kirk Sowell, Herausgeber des Internet-Newsletter „Inside Iraqi Politics“. Nun räche sich, dass Barsani Berater habe, die ihm nach dem Mund redeten. Michael Wrase