Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Facebook-Verschenkgruppe aus Ravensburg boomt
Unter fast 13 000 Mitgliedern wechselt von der Filzwolle bis zum Fernseher alles mögliche kostenlos den Besitzer
RAVENSBURG - Vor fast fünf Jahren stand Thomas Schuhbaur in seinem rappelvollen Keller in Oberzell und dachte sich: „Zwei Drittel der Sachen brauch ich nicht mehr – aber zum Wegschmeißen sind sie auch zu schade...“Warum das Zeug also nicht einfach verschenken? Gedacht, getan: Schuhbaur rief im sozialen Netzwerk Facebook die Gruppe „Verschenk’s in Ravensburg“ins Leben und fügte rund zwei Dutzend Freunde hinzu. Weil die ihrerseits jede Menge Freunde hinzufügten, wurde das Ganze mittlerweile zum Selbstläufer: Die Gruppe hat fast 13 000 Mitglieder.
Bei „Verschenk’s in Ravensburg“gibt’s vom Kinderbuggy über Kissen und Kleiderbügel bis zur Kommode fast alles: K. hat ihre gesammelten Konsalik-Romane im Angebot; S. würde 19 Muttermilchbeutel abgeben und E. verschenkt eine SilikonBackform für Cupcakes. Andere suchen mehr oder weniger kuriose Dinge und setzen dafür ebenfalls einen Post in der Facebook-Gruppe ab: S. braucht Styroporplatten „für ein Winterkatzenhaus“, B. hätte gern ein Reh- oder Hirschgeweih, und K. hofft, dass irgendwer aus der Gruppe einen CD-Player übrig hat – ihrer ist nämlich kaputt gegangen und nun ist ihr Sohn traurig, „weil er abends seine Hörspiele nicht mehr hören kann“. Von der Filzwolle bis zum Fernseher ist hier alles zu haben.
Wer nun zufällig das Gesuchte bei sich daheim rumstehen oder es just auf das Schlafsofa oder den Holzschlitten abgesehen hat, die grade umsonst zu haben sind, kommentiert den Beitrag oder schickt eine private Nachricht. In der Regel freuen sich dann beide Seiten, wenn die jeweiligen Stücke ihre Besitzer wechseln. Wie jüngst etwa ein Mitglied aus Pfullendorf, das einem frisch geschiedenen Mann mit Möbeln unter die Arme greifen konnte.
Dass jemand aus Pfullendorf in die Gruppe darf, ist allerdings eher die Ausnahme: Überregionale Anfragen haben zwar in letzter Zeit zugenommen, doch Thomas Schuhbaur möchte den Kreis der Mitglieder auf den Landkreis Ravensburg begrenzen. Schließlich soll das Ganze praktikabel sein und sich die Sachen ohne allzu großen Aufwand abholen lassen. Damit nicht Leute aus Übersee oder China in die „Verschenk’s“-Plattform reinrutschen, hat Schuhbaur vor ein paar Monaten eine neue Regel aufgestellt: Neuzugänge müssen anklicken, dass sie aus Ravensburg sind – erst dann gibt’s das Okay des 42-Jährigen Industriemechanikers.
Bereicherung ist tabu
Zweite Voraussetzung ist die Akzeptanz der Gruppenregeln, die da beispielsweise lauten: „Der Sinn der Gruppe ist Hilfeleistung, nicht Bereicherung.“Außerdem sind Spendenaktionen ebenso tabu wie „diskriminierende, beleidigende oder rassistische Kommentare“. Weil das Interesse immer größere Kreise zieht, wird Schuhbaur mittlerweile von zwei weiteren Gruppenadministratoren unterstützt. Die schauen regelmäßig nach dem Rechten – etwa danach, dass nicht jemand den geschenkten Lattenrost hinterher bei Ebay oder auf einem Flohmarkt zu Geld macht. Im schlimmsten Fall kann dieser Jemand dann geblockt werden, sprich: Er fliegt aus der „Verschenk’s“-Gruppe raus.
Laufen die Aktionen, die nach dem Prinzip „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“meist reibungslos ab, gibt es doch auch immer mal wieder Frust. Nämlich dann, wenn jemand Interesse anmeldet, sich den Stepper oder die Styroporplatten reservieren lässt, die Dinge dann aber nicht abholen kommt. Das führt zu Ärger, den die „sitzen gelassenen“Gruppenmitglieder dann auch deutlich kundtun. „Das geht gar nicht – so was stößt mir auf“, gesteht Schuhbaur.
Es gibt allerdings auch immer mal wieder den umgekehrten Fall. Beispiel rotes Retro-Telefon. Weil der Interessent auf dem Weg zur Arbeit der Bad Waldseer Verschenkerin wohnte, hat die nette Dame das Telefon dort kurzerhand vorbeigebracht.