Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
„Raum schaffen, wo sich Leute begegnen“
Renate Hold und Annika Taube organisieren ein Begegnungskonzert im Gemeindehaus
OBERTEURINGEN - Überall strahlende Gesichter, Hände, die im Takt ineinander oder auf Oberschenkel klatschen, bunte Rasseln und Tambourine: So ist es am Sonntagmittag im Oberteuringer Gemeindehaus St. Martinus beim Mitmachkonzert der Tübinger Musikgruppe „FolKlang“zugegangen.
Draußen ist es kalt und der Regen fällt immer dichter. Drinnen wird Kaffee gekocht und eine bunte Spieleecke lädt die jüngsten Besucher ein. Die Integrationsbeauftragte Annika Taube und Renate Hold vom Asyl-Helferkreis in Oberteuringen bestuhlen den Gemeindesaal des St.Martinus-Hauses und bestücken einen Tisch mit Rasseln und kleinen Trommeln. Immer wieder kommt jemand von draußen herein, mit nasser Jacke und ein bisschen verfroren. Viele haben etwas zu essen für das kleine Buffet dabei: Kuchen, salziges Gebäck oder einen Salat. Schnell füllt sich der Tisch, der am Rande des Raums aufgebaut ist – das Essen soll heute nicht im Fokus stehen.
Ein Musikstück aus Nigeria
„Ich glaube ja, dass Musik das ist, was alle Menschen verbindet, egal, ob sie aus Oberteuringen kommen oder hierher geflüchtet sind“, sagt Renate Hold. Musik könne Räume der Begegnung schaffen, ist sie sich sicher. Diese Ansicht teilt auch Integrationsbeauftragte Annika Taube, die über einen Freund die multikulturelle Band „FolKlang“aus Tübingen kennengelernt hat, die den Sonntagnachmittag gestalten soll. „Wir wollten schon lange mal irgendwas mit Musik machen, daher haben wir auch letztes Jahr schon von einem Teil unserer Fördergelder die Rhythmusinstrumente angeschafft“, erklärt sie und rückt selbige auf dem Tisch neben dem Klavier zurecht. „FolKlang“besteht aus vier Musikern, von denen eine Musikerin gleichzeitig auch dem zweiköpfigen Leitungsteam angehört. Zusätzlich stoßen immer wechselnde Musiker aus der ganzen Welt dazu. „Neulich standen wir mit neunzig Leuten zusammen auf der Bühne“, schildert Christoph Schoenbeck, der zum Kernteam gehört und dieses an jenem Mittag alleine vertritt, weil seine Kolleginnen mit Grippe im Bett liegen. Kein Problem, denn Improvisation gehört sowieso zum Programm. „Wir wissen vorher nie genau, was wir spielen werden“, verrät er und, dass sie sich schon darauf freuen würden, von den Anwesenden aus Nigeria ein Musikstück zu lernen. „Denn von dort können wir noch keines.“
Farsi, Arabisch und Französisch
Das gegenseitige Lernen stehe überhaupt im Zentrum für sie. Es seien Mitmachkonzerte, so Schoenbeck. Auf Farsi erläutert der aus dem Iran stammende Nima Noury das Konzept, Ahmad Almir aus Syrien übersetzt in seine Muttersprache Arabisch. Mouloud Mammeris algerisches Französisch wird an diesem Sonntag nicht benötigt. Zu viert spielen sie türkische, arabische und persische Musik und dann ein Stück, bei dem jeder meint, es komme aus dem eigenen Kulturkreis. „Ein altes Stück von irgendwo“, kündigen sie es schließlich an und tatsächlich: Die Geflüchteten im Publikum kennen das Stück, egal, ob sie selbst aus dem Iran, Irak oder Syrien stammen. „Persisch ist eine ganz einfache Sprache. Es gibt kein der, die, das“, erklärt Noury und bringt dann allen Anwesenden einen Liedtext auf Farsi bei.
Und ganz nebenbei wird ein kleines Vorurteil beseitigt. Weil manch anwesende Oberteuringer die „andere Kultur“für die Verspätung der Musiker verantwortlich machen wollten, klärt Schoenbeck auf: „Ich hatte mir den Termin falsch eingetragen, der kulturelle Unterschied bin also ich.“