Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Hochbegabung ist nicht immer einfach
In einer neuen Elterngruppe für hochbegabte Kinder können sich Eltern austauschen
BODENSEEKREIS - Bei Hochbegabung denken viele zunächst an Genies wie Albert Einstein. Doch überdurchschnittliche Intelligenz bedeutet nicht automatisch, dass man es in der Schule leichter hat. Auch die Familie und das Umfeld von hochbegabten Kindern sind häufig besonders gefordert. Ute Naumann aus Immenstaad hat deshalb eine Elterngruppe gegründet, in der sich Väter und Mütter betroffener Kinder austauschen können.
Auch ihr Sohn ist hochbegabt. Er geht auf ein Gymnasium mit einem eigenen Hochbegabten-Zweig und macht nächstes Jahr Abitur. Doch bis dahin war es ein weiter Weg. „Das Grundproblem ist, dass es oft nicht erkannt wird und man die Kinder nicht entsprechend fordert und fördert“, sagt die 48-Jährige. Auch der Rektor an der Grundschule ihres Sohnes hätte zunächst versucht, abzuwiegeln: So etwas habe es noch nie gegeben.
Tatsächlich sind laut Naumann aber zwei bis drei Prozent der Kinder hochbegabt. Sie würden beispielsweise dadurch auffallen, dass sie bereits im Kindergarten lesen, schreiben und teilweise auch rechnen können. Auch hätten sie ein breites Allgemeinwissen und würden gerne diskutieren, heißt es in einem Flyer des Landesverbandes für Hochbegabung Baden-Württemberg (LVH). Wenn diese Kinder dann in der Schule wieder einzelne Buchstaben lernen oder zwei plus zwei rechnen müssten, würden sie sich langweilen, erklärt Naumann. Manche ver- suchten, sich anders zu beschäftigen – oder sie störten den Unterricht.
Bei Naumanns Sohn vermutete die Klassenlehrerin zum Glück recht schnell die Ursache für das auffällige Verhalten. Ein Test brachte Klarheit. „Wenn man weiß, ein Kind hat einen hohen IQ und macht im Unterricht nicht mit, muss man anders damit umgehen, als wenn es nicht mitkommt.“Eltern, die sich an sie wenden, rät sie deshalb, erst einmal einen Intelligenztest zu machen. Stellen, die den Test durchführen, sind beispielsweise das staatliche Schulamt oder Erziehungsberatungsstellen, aber auch Psychologen.
Wie Naumann erklärt, gibt es für hochbegabte Kinder dann vor allem zwei Formen von Fördermöglichkeiten: Einerseits kann es hilfreich sein, sie schneller lernen zu lassen. Das heißt, sie können möglicherweise eine Klasse überspringen. „Sie brauchen weniger Wiederholungen, denn die verwirren sie oft nur“, sagt Naumann. Andererseits brauchen die Kinder Zusatzangebot in Form von zusätzlichen Aufgaben oder Sonderprojekten.
Eltern wollen sich austauschen
Um auf die Bedürfnisse hochbegabter Kinder aufmerksam zu machen und sich auszutauschen, haben sich unter dem Dach des LHV 14 regionale Elterngruppen zusammengetan. Eine davon ist die Gruppe von Naumann am Bodensee, die seit einem halben Jahr besteht. Einen ersten Elternabend gab es bereits, zu dem rund 30 Eltern aus dem ganzen Bodenseegebiet und Oberschwaben nach Immenstaad kamen. „Eltern ha- ben in einer bestimmten Phase einen großen Bedarf sich auszutauschen, um ihr Kind besser zu verstehen“, sagt Naumann. Sie sieht sich vor allem als Koordinatorin, die Initiative für gemeinsame Aktivitäten müsste von den Eltern kommen. Dann könnte es Spielnachmittage oder gemeinsame Ausflüge geben. Denn „Hochbegabte verstehen sich untereinander recht gut“.
„Es kommt langsam, dass man auch die Guten fördert und nicht nur die Schlechten“, sagt Naumann. Gerade in hochbegabten Kindern liege viel Potential. „Es ist schade, dass man diesen Schatz bisher nicht nutzt.“
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