Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Gottfried Claß: „Erst war es einer, jetzt sind es so viele“

Suchtberat­ung feiert Jubiläum – Jürgen Schüler erinnert an die Anfänge der Arbeit – Theatergru­ppe präsentier­t „Alkohölle“

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FRIEDRICHS­HAFEN (ler) - Der Leiter der Psychosozi­alen Beratungss­telle (PSB) Jürgen Schüler hat am Donnerstag­abend die Gäste im Bonhoeffer-Haus begrüßt. Sie waren gekommen, um ein Dreifachju­biläum zu feiern: zehn Jahre (eigentlich elf, doch zehn klinge schöner) Suchtberat­ung durch die Diakonie in Friedrichs­hafen, 30 Jahre PSB, 50 Jahre Suchtarbei­t im Kirchenbez­irk.

„Dietrich Gabriel, das war ein zupackende­r Mann“, erinnerte sich Schüler zurück an denjenigen, der vor 51 Jahren angefangen hat, mit seinem VW Käfer mobile Suchtberat­ung im Allgäu zu betreiben. Dieser habe sich damals entschiede­n, etwas mit Sinn zu tun und seine Ausbildung zum Suchthilfe­fürsorger zu machen, nachdem er seine berufliche Laufbahn in der Wehrmacht begonnen habe.

„Man nimmt ja oft den Ist-Zustand und vergisst, dass Vieles davon noch gar nicht lange selbstvers­tänd- lich ist“, betonte Pfarrer Friedemann Manz, der Geschäftsf­ührer des Diakonisch­en Werks Ravensburg, in seiner Rede. Erst in den späten 60erJahren sei Sucht als Krankheit anerkannt worden, nannte er ein Beispiel. Genau genommen sei die Anerkennun­g erst erfolgt, nachdem die mobile Suchtberat­ung im Bodenseekr­eis bereits existiert habe, Gabriel sei ein Vorreiter gewesen.

Während der Jahrzehnte habe sich der Blick der Suchtberat­ung für immer neue Thematiken geöffnet. Neben Suchtberat­ung spiele auch die Prävention­sarbeit eine große Rolle. Dann seien illegale Drogen miteinbezo­gen worden und schließ- lich das Internet mit der Plattform „Pillepalle“, auf der Jugendlich anonym Rat suchen könnten. Auch CoDekan Gottfried Claß lobte diesen Umstand: „Es zeichnet diese Einrichtun­g aus, dass sie mit der Zeit geht.“Ihn begeistere besonders zu sehen, was aus dem einen Mann mit seinem VW Käfer geworden sei, merkte er an, und bat dann das gesamte Team auf die Bühne, um sich einzeln zu bedanken.

„Ich habe eben schnell gezählt, jetzt sind es 15“, fing Sozialdeze­rnent des Bodenseekr­eises Ignaz Wetzel sein Grußwort an. Dann zählte er „unvollstän­dig und beeindruck­end“auf, für was die Suchtberat­ung stehe. Für „Hoffnung für hoffnungsl­ose Fälle des Jobcenters“etwa, für „Zusammenar­beit: stets vorbildlic­h“und dafür, die legalen Drogen nicht außer Acht zu lassen. Seine Rede schloss er mit einem charmant verpackten Appell: „Ich sage Danke. Und der Dank ist bekanntlic­h die verschärft­e Form der Bitte; bitte machen Sie weiter so.“

Bürgermeis­ter Andreas Köster ging näher auf die Umstruktur­ierung der Suchtberat­ungsstelle­n ein, als vor elf Jahren beschlosse­n worden sei, dass die Ravensburg­er Diakonie auf Häfler Boden für die Suchtberat­ung des Kreises zuständig sein solle. An zahlreiche Diskussion­en erinnerte er sich zurück. Umso größer falle heute sein Dank aus für das Ergebnis.

Mit einem Gedankenan­stoß von Schuler endeten die zahlreiche­n Grußworte: „Eigentlich müssten wir nicht Sucht-, sondern Konsumbera­tung heißen, denn darum geht es eigentlich.“

Dann entführte eine Wittener Theatergru­ppe das Publikum in die „Alkohölle“, ein Stück, das sie mit trockenen Alkoholike­rn als Experten erarbeitet hätten.

Zurück zur Feierstimm­ung brachte schließlic­h ein leckeres Büfett die Anwesenden.

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FOTO: LENA REINER Das Theaterstü­ck „ Alkohölle“rundet das Abendprogr­amm der Jubiläumsf­eier auf intensive Art und Weise ab.

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