Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Schluss mit der Schließdebatte
Natürlich können die Liberalen nichts damit anfangen, wenn eine Gesellschaft beschließt, kleine Inseln des erschwerten Konsums – sprich den Ladenschluss – zu erhalten. Es gehört zum Markenkern der FDP, nichts dulden zu wollen, was den viel gepriesenen Markt, der ja in der Theorie alles von selbst zum Wohle der Menschheit regelt, einengt. Dass verschiedenste Märkte schmerzhaft bewiesen haben, dass ihre totale Deregulierung großen Schaden anrichten kann, darf man im Lichte politischer Verantwortung nicht einfach ignorieren. Dass der Handel keine Reglementierung dulden will, liegt in seiner Natur.
Dabei vergessen wir: Zum einen ist das, was wir heute noch als Ladenschlussgesetz bezeichnen, ein nahezu bis zur Unkenntlichkeit verstümmelter Mini-Minimalkonsens, der mit seinen liberalen Regulierungen die Ausnahmen fast schon zur Regel erhebt. Außerdem: Sollte jemand am Samstagabend um kurz nach 22 Uhr wirklich seinem Konsumtrieb nicht mehr in der realen Welt befriedigen können, weil auch eine Kassenkraft irgendwann Schlaf braucht, bleibt ihm noch das Internet, das ja 24 Stunden täglich geöffnet ist.
Viel ist sowohl von kirchlicher als auch gewerkschaftlicher Seite gesagt worden, warum Menschen – solche arbeiten im Handel – ab und zu eine Pause brauchen. Nicht nur, weil jemand, der am Sonntag Klamotten verkaufen muss, die Messe verpasst. Es ist vielmehr ein Wert an sich, das permanente Grundrauschen eines grenzenlosen Konsums, der uns dank Smartphone auf Schritt und Tritt verfolgt, wenigstens an den meisten Sonntagen, an Feiertagen und nachts zu unterbinden. Es ist symptomatisch, wenn viele Menschen angesichts geschlossener Geschäfte von einer inneren Unruhe befallen werden. Es ähnelt ein bisschen Entzugserscheinungen, die eine Leere aufkommen lassen, sobald sich etwas Ruhe über unsere Innenstädte senkt. Im Kreislauf des Habenund Kaufenwollens ist es gut, wenn der Staat Grenzen setzt, uns vom Konsum wenigstens stundenweise ausnüchtert, wenn die menschliche Vernunft nicht von selbst einsieht, wie wertvoll diese ohnehin kurzen Auszeiten sind.
e.nyffenegger@schwaebische.de