Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Klare Kante wäre nötig
Zum Ergebnis des Wettbewerbsverfahrens zur Neubebauung des ehemaligen Hotels Schöllhorn und des Familientreffs in der Friedrichstraße:
Mit qualitativ anspruchsvollen und attraktiven neuzeitlichen Gebäuden ist Friedrichshafen noch weitestgehend unterausgestattet. Insgesamt tut sich aber doch einiges. Besonders die städtebaulich hervorragende und einzigartige Situation des Stadtboulevards Friedrichstraße ist so wichtig, dass eigentlich alle Beteiligten, Eigentümer, Investoren, Geschäftsleute und Planungsbehörden, sich bemüßigt fühlen sollten, hier „was gscheit’s“zuwege zu bringen. Umso verwunderlicher ist, dass jubelnde Juroren eine Arbeit prämieren, die dem Hohn spricht.
Der gekürte Gewinnerentwurf kommt als gestelzter, selbstverliebter Bau daher, mit einer Formensprache bezugsloser über die Gebäudefläche schwimmender, großer und kleiner Löcher sowie einer sich ab dem dritten Geschoss vom Straßenraum nachgerade weg wendenden und innen kippenden Fassade unklarer Materialität. Die neue Bebauung wird damit weder entschlossener Teil einer städtebaulich wichtigen Raumkante entlang der Friedrichstraße und verliert darüber hinaus den notwendigen Kraftschluss mit den Nachbargebäuden, noch wird sie so zu einer signifikanten und attraktiven Entwicklung beitragen.
Es ist Quatsch, einen Wettbewerb erst dann zu machen, wenn beispielsweise bereits über zwei Drittel des alten Schöllhorn-Grundstücks mit einem klotzartigen Kubus überbaut sind. Da hätte es selbst ein noch so imposantes neues Gebäude schwer, sich gegenüber diesem schlimmen Wohnungsbau zu behaupten. Zugegeben, es ist lustig, eine Übertragung von Bauelementen beispielsweise die Kubaturen, wie sie im Stuttgarter Dorotheen-Viertel eine klare Formensprache entwickeln, auf die Bausituation an der Friedrichstraße zu versuchen.
Aber ist es richtig? Nein, hier braucht es ein klar konzeptioniertes fünf-, vielleicht sogar sechsgeschossiges Gebäude, um die Qualitäten von Friedrichstraße, Uferpark und Raumkante herauszuarbeiten.
Vollkommen perplex bin ich von der zahlenmäßig übergroßen Beteiligung der Spitzenfachleute aus der Bauverwaltung im Preisgericht. Umso mehr hätte ich mir aber ein höheres Einfühlungsvermögen sowie eine klare Kante beim Verfolgen der städtebaulichen Ziele gewünscht. Korrekturen an der Entscheidung erwarte ich nicht. Alle, die noch was ändern könnten, sind letztlich eingebunden. Schade – Chance vertan!
Ulrich Bernard,
Friedrichshafen