Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
2,8 Kilogramm Bildbiografie
Eine Prachtband macht Lust auf das Werk von Arno Schmidt
FRIEDRICHSHAFEN - Wieder einmal hat Arno Schmidt den Kiesel im k42 gefüllt, so viele eingefleischte „Schmidtianer“sind am Montagabend zur Lesung aus der im Oktober 2016 erschienenen Bildbiografie über den 1979 verstorbenen Schriftsteller geströmt.
Der ungewöhnliche Buchtitel blickte von der Leinwand entgegen: Vor seinem Haus im kleinen Heidedorf Bargfeld bei Celle steht der Autor und verbrennt Gartenabfälle, Rauch steigt in Schwaden auf. Unter der großen Leinwand saßen die berufensten Menschen nebeneinander, um anhand des Buches die ungewöhnliche Vita nachzuzeichnen. Um Jan Philipp Reemtsma, den großen Förderer von Arno Schmidt, saßen als beste Kenner seines Werks Bernd Rauschenbach und Joachim Kersten sowie die Herausgeberin Fanny Esterházy. Bei ihrer Recherche für den Bildband hat die freie Lektorin und Übersetzerin aus Wien unzähliges Material wie Fotos, Zeichnungen, Dokumente, Manuskripte, Notizen, Briefe und Zeitungsartikel zusammengetragen, hinzu kommen Auszüge aus Tagebucheinträgen von Arno Schmidt und seiner Frau Alice, Textpassagen aus seinem Werk und Kommentare von Kollegen und Freunden. Herausgekommen ist ein Prachtband mit 456 Seiten und 850 Farbabbildungen, 2,8 Kilo schwer. Dennoch sagte sie einleitend: „Der Band ersetzt keine herkömmliche Biografie.“Aber er mache Dokumente zugänglich, leiste damit die Vorarbeit zu einer Biografie, die noch ausstehe und die der Autor selbst gefordert hatte.
Auch wenn die Bilder nicht in der gewünschten Qualität auf der Leinwand erschienen, hat man doch einen gültigen Einblick gewonnen, der zusammen mit den gelesenen Passagen Lust machte auf das Buch, das für Schmidt-Fans ein unbedingtes Muss ist und anderen Lesern einen spannenden Zugang schafft zum Schriftsteller und seinem Werk. Selten wird so deutlich, wie eng Leben und Werk zusammenhängen, das zum Spiegelbild des Lebens wird, wie stark die Lebensumstände das Werk beeinflusst haben, und sei es nur, dass Schmidt nach dem Kauf seines Häuschens bei steigendem Alkoholkonsum rastlos geschrieben hat, um seine Schulden abzubezahlen.
Jede Doppelseite ist eine Geschichte
Der Porträtband ist umso aufschlussreicher, als er sich nicht auf die mosaikartigen Abbildungen beschränkt, die der Typograf Friedrich Forssman vorzüglich gestaltet hat, sondern diese auch mit Texten begleitet. Wie Fanny Esterházy erläuterte, erzähle jede Doppelseite eine kleine Geschichte: „Man blättert, schaut die Bilder an, liest sich fest, blättert zurück und liest dann doch das Ganze von A bis Z.“Zu jedem der Kapitel, die nach den jeweiligen Aufenthaltsorten des Autors gegliedert sind, hat Bernd Rauschenbach einführende Texte geschrieben.
So zog an dem Abend in Bildern, ausgewählten Textpassagen, Tagebuchnotizen und Kommentaren das unstete Leben des Autors vorüber, in lebendiger Dramaturgie abwechselnd von den Vieren gelesen, die Vita eines Besessenen, der tiefste Armut und Verzweiflung auf sich nahm, um zu schreiben, und in seinem Werk ungeschminkt Wahrheiten aussprach, die ihn fast ins Gefängnis gebracht hätten.