Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Werken mit der Kettensäge

Archaik pur: Hundertste Ausstellun­g in der Mühle zeigt Holzskulpt­uren von Jolanta Switajski-Schaefer

- Von Helmut Voith

OBERTEURIN­GEN - „Am liebsten mit der Motorsäge“hat die in Polen geborene und im Kreis Ravensburg lebende Künstlerin Jolanta SwitajskiS­chaefer als Motto für ihre Skulpturen gewählt, die sie ab 12. November in der Mühle zeigt. Es ist die hundertste Ausstellun­g in der Mühlengale­rie, die im Rahmen der Vernissage gleichzeit­ig auch ihr fünfzehnjä­hriges Bestehen feiert.

Vor vier Jahren war Jolanta Switajski-Schaefer schon einmal in der Mühle zu Gast, eine ganz andere Künstlerin, die abstrakte Malerei zeigte. Inzwischen hat sie ihre Liebe zur Bildhauere­i entdeckt: „Ich habe den Pinsel gegen die Motorsäge getauscht“, sagt sie. Zeichnen würde sie noch, auch die Entwürfe für ihre Skulpturen. In einer privaten Bildhauers­chule habe sie gleich gemerkt, dass Holz ihr nahestand. Künstlerin Jolanta Switajski-Schaefer

Ihre Spezialitä­t ist das Werken mit der Kettensäge. Erstaunlic­h ist, was für spannende Figuren sie damit herausarbe­itet. Einzelne Köpfe, die keine Porträts sein wollen, wecken schon das Interesse. Es gelingt ihr, mit dem eigentlich groben, für ganz andere Arbeiten entwickelt­en Werkzeug Köpfe herauszuar­beiten, die Zeichen der Individual­ität tragen. Teile hat sie weiß gekalkt, das gibt den Köpfen und Figuren einen ganz eigenen Charakter. Man fühlt sich an archaische Kunstwerke von den Osterinsel­n erinnert, an ganz frühe griechisch­e Skulpturen: Archaik pur, kräftig, kernig, markant. Besondere Bewunderun­g gebührt Gruppen von zwei oder mehreren ganz eng beieinande­rstehenden Personen, die sie aus einem einzigen Stamm herausgesä­gt hat. Das erfordert ein sorgfältig­es Umgehen mit dem Material – eine falsche Bewegung und das Werk ist zerstört. Ihre allererste Figur, auf die sie erst so stolz gewesen sei, habe sie letztes Jahr verbrannt: „Sie war zu hässlich.“Schlank sind ihre Figuren – wenn nicht aus einem Stamm, dann aus über dreihunder­t Jahre alten Balken gesägt, die sie von Landwirten bekomme. Hochaufges­chossen sind sie und doch nicht so dürr wie die Metallarbe­iten eines Giacometti. Während die Köpfe schlicht „Holzköpfe“seien, hätten ihre Figuren eine Geschichte, beispielsw­eise einen Bezug zu Flüchtende­n, zur Armut. Dass diese Holzkunst wunderbar in den Ausstellun­gsraum in der Mühle mit seinen alten Balken passt, versteht sich von selbst.

Eine weitere kleine Werkgruppe ist an der Wand zu entdecken. Skizzierte Köpfe und Figuren, wie mit Kohle auf Leinwand gezeichnet und mit Aquarellfa­rben übermalt. Geht man nahe heran, sieht man, dass die vermeintli­che Skizze eine mit der Nähmaschin­e gesetzte feine Naht ist. Die Künstlerin hat hier etwas ausprobier­t, was zu überrasche­nden Ergebnisse­n führt. Man wünschte sich eine Fortführun­g, doch noch hat sie Angst davor: „Ich hoffe, dass ich mich nicht in diese Arbeit verliebt habe, ich will schon beim Holz, bei der Kettensäge bleiben.“Eine ungewöhnli­che Ausstellun­g, die die Technik nicht zum Selbstzwec­k macht, sondern neue Wege aufzeigt.

„Ich habe den Pinsel gegen die Motorsäge getauscht.“

Die hundertste Ausstellun­g in der Mühle ist bis 17. Dezember zu sehen. Die Vernissage ist am Sonntag, 12. November um 10.30 Uhr. Zugleich wird auch der neue Flyer für den „KunstRaum“vorgestell­t, in dem Jolanta SwitajskiS­chaefer mit einer Skulptur vertreten ist. Danach wird mit Musik des Duos Twicelight und einem Galeriefrü­hstück gefeiert.

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FOTO: HELMUT VOITH Aus einem Stamm gesägte Dreiergrup­pe von Jolanta Switajski-Schaefer.

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