Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Unverhohle­n Klientelpo­litik“

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BERLIN - Mit Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD/Foto: dpa) sprach Andreas Herholz über die richtigen Schlüsse aus der Steuerschä­tzung.

Wie sollte die künftige Bundesregi­erung mit dem Milliarden­Plus umgehen?

Der Bund hat seine Finanzprob­leme wirklich gelöst. Herr Schäuble hinterläss­t seinem Nachfolger nicht nur einen ausgeglich­enen Haushalt, sondern prall gefüllte Rücklagen. Deswegen ist jetzt beides möglich: Wir brauchen Impulse für Zukunftsin­vestitione­n und eine Entlastung der Bürgerinne­n und Bürger mit kleineren und mittleren Einkommen. Es muss einen vernünftig­en, sozial ausgewogen­en Mix geben.

Was spricht gegen den Abbau des Solidaritä­tszuschlag­es?

Eine bloße Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­es würde vor allem den Beschäftig­ten mit besonders hohem Einkommen zugutekomm­en. Damit würden die Besserverd­ienenden besonders stark entlastet. Dass vor allem die Millionäre profitiere­n, kann aber nicht einmal die FDP für vernünftig halten. Wir sollten den Abbau des Solidaritä­tszuschlag­es vernünftig in ein umfassende­res Steuerrefo­rmkonzept einbauen. Natürlich ist der Soli fällig und seine Abschaffun­g überfällig. Die Einnahmen landen heute gar nicht mehr in den neuen Bundesländ­ern, sondern im Bundeshaus­halt. Unser Vorschlag ist: Wir schaffen den Soli ab und erhöhen gleichzeit­ig den Spitzenste­uersatz. Kleine und mittlere Einkommen sollen gezielt entlastet werden. Nach unserem Modell würde eine Krankensch­wester mit 30 000 Euro Bruttoeink­ommen pro Jahr um 500 Euro entlastet. Wer bis zu 112 000 Euro Jahreseink­ommen bezieht, würde entlastet. Bei höheren Einkommen gäbe es moderate Steuererhö­hungen. Das wäre ein Beitrag, um die soziale Schere nicht noch weiter zu öffnen.

Eine große Steuerrefo­rm ginge nicht ohne die Länder und die SPD. Machen Sie mit?

Ja, das ist unser Angebot an die nächste Bundesregi­erung. Für eine umfassende Steuerrefo­rm braucht es in der Tat die Zustimmung des Bundesrate­s. Ich bin bereit, darüber zu reden, wenn die kleinen und mittleren Einkommen spürbar und sozial gerecht entlastet werden. Unser Modell für eine Steuerrefo­rm würde die Bürgerinne­n und Bürger um 20 Milliarden Euro entlasten. Wenn Union, FDP und Grüne da mitziehen, können wir das gerne auf den Weg bringen. Ich habe aber eher den Eindruck, dass bei den JamaikaVer­handlern unverhohle­n Klientelpo­litik betrieben wird.

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