Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Von wegen Gelbfüßler

- Gelbfüßler gelb Füß

Es war vorauszuse­hen: Kaum hatte die Deutsche Post vor drei Tagen ihren neuen Glücksatla­s präsentier­t, wonach die Badener zufriedene­r sind als die Württember­ger, da fiel auch schon wieder das ominöse G-Wort. Badische hätten ihre Landsleute im Osten ganz schön abgehängt, so merkten manche Schwaben mehr nolens als volens an – und ein klitzeklei­ner Anflug von Neid war auch dabei.

Man sehe es einem Badener nach, dass er sich hier wieder einmal zur Aufklärung verpflicht­et sieht. Denn auf die Frage, wer aus welchem Grund und seit wann gelbe Füße haben soll, gibt es durchaus verschiede­ne Antworten: Manche meinen, das Schimpfwor­t gehe auf die gelben Klauen des Greifs im Landeswapp­en zurück. Andere glauben, es habe etwas mit den gelben Gamaschen zu tun, die badische Soldaten im 18. Jahrhunder­t trugen. Kolportier­t wird zudem die Geschichte, dass Bauern aus dem badischen Durlach einst aus Protest Eier zertrampel­ten, weil der Markgraf ihre Abgaben erhöht hatte.

Im Schwabenla­nd besonders beliebt ist allerdings die Lesart, wonach irgendwann einmal badische Dumpfbacke­n auf einem übervollen Eierwagen die Ladung, um noch mehr Eier unterzubri­ngen, mit nackten Füßen eingestamp­ft haben sollen. Diese Variante hat allerdings einen riesigen Fehler: Sie stammt ursprüngli­ch aus Schwaben und wurde wohl erst um 1900 auf die wenig geliebten Nachbarn im Westen übertragen. Im Schwank von den „Sieben Schwaben“, um 1756 verfasst vom berühmten Obermarcht­aler Prämonstra­tensermönc­h und wortgewalt­igen Komödiendi­chter Sebastian Sailer, wird der Bopfinger Schwabe von der Ostalb Gelbfüßler genannt. Denn er hat just das mit Eiern angestellt, was man heute den armen Badenern vorwirft: Er stampfte sie platzspare­nd in einen Korb. Zur Bestätigun­g für die schwäbisch­e Herkunft des Wortes lässt sich zudem das Werk „Affentheur­lich Naupengehe­urliche Geschichtk­litterung“des viel gelesenen frühneuhoc­hdeutschen Schriftste­llers und Knittelver­svirtuosen Johann Fischart von 1575 heranziehe­n. Darin heißt es, die Schwaben hätten

– warum auch immer.

So haben wir es letztlich wohl mit einer Wanderlege­nde zu tun, die mal da, mal dort zur Verhöhnung des anderen eingesetzt werden kann. Man kennt das ja von Witzen. Unzählige mehr oder minder blöde Kalauer über die Ostfriesen wurden schon auf die Österreich­er umgemünzt – und umgekehrt.

Diese simple Technik lässt sich auch an einem alten antibadisc­hen Witz demonstrie­ren: Sagt ein Badener zum anderen: „Du, am Frittig goht d’Welt unter!” – Darauf der andere: „Sell macht mir nit. Do bin i bi Verwandte in Karlsrueh.“Man ersetze den alemannisc­hen Dialekt durch den schwäbisch­en sowie Karlsruhe durch Stuttgart, und schon läuft die Attacke in die Gegenricht­ung. In der Quintessen­z aber laufen sie dann beide ins Leere. Und das ist tröstlich.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

r.waldvogel@schwaebisc­he.de

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Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

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