Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Neureuther feiert Sieg im Slalom
Nach durchwachsenem Start steigert sich die Eishockey-Nationalmannschaft beim Heimturnier – Marco Sturms schwieriges Olympia-Casting
Da strahlt der Sieger – und herzt das Rentier: Felix Neureuther (Foto: dpa) hat sein erstes Skirennen in dieser Saison gewonnen. Der 33-Jährige war am Sonntag im Slalom von Levi nicht zu bezwingen und feierte einen perfekten Start in den Olympia-Winter sowie seinen insgesamt 13. Erfolg im Weltcup. Der deutsche Rekordsieger im Weltcup kletterte erstmals seit Februar 2016 und nach einer Saison ohne Platz eins wieder auf die oberste Podeststufe. Fritz Dopfer kam bei seinem Comeback nach einjähriger Verletzungspause auf Rang 15 und schaffte die halbe OlympiaNorm.
AUGSBURG - Moritz Müllers Augen leuchten. Der 30-Jährige steht im Kabinentrakt des Augsburger CurtFrenzel-Eisstadions. „Das waren“, sagt er, „einfach Spiele, an die werd’ ich mich mein Leben lang erinnern.“Deutschland-Cup ist, Verteidiger Müller, 121 Länderspiele, gehört zu den Altgedienten, Erfahrenen, Unverzichtbaren in der Eishockey-Nationalmannschaft. Jetzt schwärmt er. Spricht von der „Ehre, da dabei gewesen zu sein“. Der Schönheitsfehler: Nicht der aktuelle Wettbewerb ist gemeint, sondern das Olympiaqualifikationsturnier vor etwas mehr als einem Jahr in Riga.
Sehr wohl allerdings hat das eine – der letztlich entscheidende deutsche 3:2-Sieg über bärenstarke Letten damals – mit dem anderen – Platz drei beim Viernationenturnier am Wochenende – zu tun: Bundestrainer Marco Sturm funktionierte die Duelle mit Russland, der Slowakei und den USA zur Sichtung für Pyeongchang 2018 um. Notgedrungen. Denn: Es gibt kein Länderspiel, keinen Lehrgang mehr bis zum Nominierungstermin im Januar. Notgedrungen exzessiv auch: Zehn Mann aus dem Riga-Team waren in Augsburg nur dabei. Definitiv in Südkorea fehlen werden – wegen des Olympiaverzichts der National Hockey League – Philipp Grubauer, Korbinian Holzer, Dennis Seidenberg, Leon Draisaitl, Tom Kühnhackl und Tobias Rieder. Das Ticket (mit-) geholt haben sie, einlösen werden sie es nicht können: Sportpolitik ist selten Athletenpolitik.
Und Bundestrainersein häufig Pragmatismus: Sieben Lettland-Fahrer vom Herbst 2016 hatte Marco Sturm im Herbst 2017 nicht nominiert, weil sie verletzt, frisch genesen oder privat verhindert waren. Chance sollte das werden: für Rückkehrer, für Neulinge. Zwei Niederlagen wurden es: 2:8 (1:1, 1:4, 0:3) erst gegen den seit Sonntag fünfmaligen DeutschlandCup-Sieger Russland, 0:3 (0:1, 0:0, 0:2) dann gegen die radikal verjüngte, überaus wehrhafte Auswahl der Slowaken. Durchwachsen! Durchwachsen mit Steigerung und unverhoffter Schlusspointe: einem 5:1 (1:0, 3:1, 1:0) über die USA.
Wichtiger als Ergebnisse, hatte Marco Sturm da längst zu verstehen gegeben, seien ihm derzeit „Erkenntnisse. Absolut!“Die gab es, auch positive. Die ersten 30 Minuten gegen die Sbornaja etwa. Da bremsten nicht Rotation, nicht Reihenumstellungen. Der Bundestrainer: „Die Jungs haben bewiesen, dass sie spielen können – und mitspielen können.“2:1 stand es; den Bruch brachten ein leichtfertiger Puckverlust und zwei Unterzahlsituationen. Der Gegner war fortan „eiskalt, effizient“(Moritz Müller), Marco Sturm war angefressen: „Wenn man so untergeht, ist das nicht schön. Wir haben einfach den Kopf hängen lassen – zu viel und zu früh.“
So etwas kann man korrigieren, zumal Selbstkritik dem deutschen Eishockey-Nationalspieler nicht fremd ist. In Sachen Strafzeiten nicht (Angreifer Marcus Kink: „Man weiß, dass die Russen gerne die Eins-gegeneins-Situationen suchen – da müssen wir einfach clever spielen, auch mit dem Schläger aufpassen“), in Sachen Emotionen nicht: „Leidenschaft“hatte Patrick Hager anderntags gegen die Slowakei wieder gesehen, mehr Leidenschaft. Widerspruch: keiner. Auch nicht bei der Hager’schen Einschätzung, „dass wir bei fünf gegen fünf definitiv die bessere Mannschaft waren“. Zählbares aber? War allenfalls ein Innenpfostentreffer Marcel Müllers. Das Dilemma also in Cup-Spiel zwo? Nochmals Patrick Hager: „Wir haben unglaublich viele Scheiben aufs Tor gebracht, auch eine gute Präsenz vorm Tor gehabt – aber letztendlich dann doch die Rebounds nicht gefunden.“Zu kompromisslos agierten, zu kompakt standen die Slowaken. Für den finalen Gang gegen die USA waren da Lösungen gefragt ...
Gegen die USA gibt es Lösungen
Sie wurden geliefert. Nicht nur für 30 Minuten; auch Abpraller bekamen deutsche Abnehmer. Dazu fünfmal Grund zum Jubeln, dazu die Defensive stabilisiert: Das nennt man wohl „versöhnlich“. Dass das US-Team ein gutes Stück weg war von seiner feinen Leistung gegen Russland am Vorabend? Geschenkt. Zumal auch so ein 5:1 letztlich nur Ergebnis ist.
Für den Bundestrainer, den Erkenntnissuchenden, ist das Personalpuzzle im Zeichen der Ringe nicht einfacher geworden nach Deutschland-Cup-Tag drei. Bis dahin hatte sich niemand so aufgedrängt, dass es ein machtvolles olympisches Aufdrängen gewesen wäre. Die 21-jährigen Andreas Eder und Stefan Loibl bewiesen Potenzial und Perspektive, all die in der Ära Sturm bisher wenig Berücksichtigten hatten sich bei ihren Nationalteam-Comebacks redlich bemüht. Jetzt aber brachten die Raedekes, Piettas, Mauers ... kollektiv ihre Ambitionen aufs Eis, Alternative zu sein. Mit Nachdruck. Sie haben ihren Job gemacht. Für Marco Sturm („Gewisse Spieler haben ein großes Plus. Aber es gibt genügend Plätze, die noch frei sind“) geht der Deutschland-Cup in die Verlängerung.