Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Klimaschutz auf eigene Faust
US-Städte und Bundesstaaten wollen auch ohne Präsident Trump die Ziele des Pariser Abkommens erreichen
BONN (dpa) - Auf den ersten Blick könnte man meinen, in den Bonner Rheinwiesen würde eine Mars-Station erprobt. Riesige weiße Iglus erheben sich unterhalb des Post-Towers. Drinnen gibt es aber keine Astronautenkost, sondern Bagels, Cookies und Donuts. Amerikanische Politiker halten Reden, überall werden gute Laune und Optimismus verbreitet. Denn die Botschaft hier lautet: „We are still in“– wir sind noch dabei. Die Rede ist vom Klimaschutz.
Das „U.S. Climate Action Center“ist nicht das Werk der offiziellen amerikanischen Delegation bei der Weltklimakonferenz – denn die untersteht Präsident Donald Trump, der das Pariser Klimaabkommen aufgekündigt hat. Trumps Gesandte in Bonn verhalten sich nach Beobachtung des deutschen Umwelt-Staatssekretärs Jochen Flasbarth „unauffällig, eher mit etwas runtergefahrenem Profil“. Öffentlich sind sie bisher nicht in Erscheinung getreten, aber nächste Woche, so heißt es, wollen sie doch mal die Vorzüge von Kohle, Gas und Atomenergie anpreisen.
Mächtige Bundesstaaten
Das Riesenzelt in den Rheinwiesen ist die Vertretung des „anderen Amerikas“. Dahinter stehen Klimaschützer wie der Milliardär und ehemalige New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg, Begründer der Initiative „America's Pledge“. Dieses amerikanische Versprechen lautet: Die USA werden dem Pariser Klimaabkommen nicht nur treu bleiben, sondern es auch umsetzen – trotz Trump. Diese Zusage kommt zunächst einmal überraschend. Schließlich hat Trump neulich nochmal verkünden lassen, dass es definitiv bei dem Austritt bleiben werde. Allerdings kann der erst am 4. November 2020 erfolgen – einen Tag nach der nächsten Präsidentschaftswahl. „Das ist eine gute Nachricht“, meint der ehemalige USVizepräsident Al Gore – tosender Beifall ist ihm gewiss.
Bis dahin wollen wichtige Bundesstaaten und Metropolen den Klimaschutz so weit vorantreiben, dass die USA auf Kurs bleiben. „Die USA haben ein föderales System“, betont der kalifornische Gouverneur Jerry Brown in einer umjubelten Rede. „Bundesstaaten haben wirkliche Macht.“Brown ist stolz darauf, nicht nur eine Allianz mit zwölf anderen US-Staaten geschmiedet zu haben, sondern auch mit Winfried Kretschmanns baden-württembergischer Landesregierung und zehn weiteren Partnern. Zusammen seien sie die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, brüstet er sich.
Auch andere Städte und Regionen in aller Welt verstehen sich als Treiber des Klimaschutzes. Gino Van Begin, Generalsekretär der Initiative „Kommunale Regierungen für Nachhaltigkeit“, fordert: „Nationale Regierungen sollten klare Mechanismen entwickeln, um sich mit kommunalen und regionalen Regierungen kurzzuschließen, und sie dadurch zu gleichwertigen Partnern machen.“
Die Trump-Kritiker blicken hoffnungsvoll auf den nächsten US-Präsidenten. Al Gore hat sich einen kleinen Scherz ausgedacht, den er bei seinen Auftritten in Bonn regelmäßig wiederholt: Wenn er über die nächste Präsidentschaftswahl spricht, verwendet er die Formulierung „sollten wir dann einen neuen Präsidenten haben…“, hält kurz inne und faltet die Hände, als würde er ein Stoßgebet gen Himmel senden. Das Publikum ist jedes Mal wieder begeistert. Das gleiche gilt, wenn Bloomberg sagt, in spätestens drei Jahren werde ja Schluss sein mit dieser Regierung. Und dann kann der künftige Präsident am Tag nach der Wahl sofort bekanntgeben, dass die USA doch nicht austreten werden.
Also alles geregelt – setzt man die Kleinigkeit voraus, dass das amerikanische Volk Trump am 3. November 2020 dann auch wirklich abwählt. „Der Wind hat sich gedreht“, sagt Gore dazu einmal auf Nachfrage. Alle klatschen. Von Bonn aus gesehen, ist Trump schon so gut wie Geschichte.