Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Ein Mann mit vielen Gesichtern
Eine Hommage an Leonard Cohen zum Auftakt des Literaturhebstes
FRIEDRICHSHAFEN - Mit einer Hommage an den Musiker und Dichter Leonard Norman Cohen eröffnete Autor, Musiker und Rezitator Sven Görtz den vierten Literaturherbst in Friedrichshafen. Thomas Goldschmid, Leiter des Stadtmarketings und Christoph Frisch von der Volkshochschule, begrüßten das Publikum im ausverkauften Kiesel im k42. Die vielversprechende Auftaktveranstaltung machte Lust auf mehr. Noch elf weitere Veranstaltungen bietet der Literaturherbst.
Eine Gitarre und ein Rednerpult, mehr brauchte Sven Görtz nicht, um in gut zweieinhalb Stunden mit seiner persönlichen Hommage „So long, Leonard Cohen“an den vor einem Jahr verstorbenen Musiker und Dichter zu erinnern. Er bezeichnete Cohen als Meister der Entschleunigung und als Mann mit tausend Gesichtern. Auf den Fotos erinnere er mal an Al Pacino und mal an den jungen Dustin Hoffmann. Dabei immer gut angezogen, denn der kanadische Sänger habe als Sohn eines Textilfabrikanten von sich gesagt, er sei ja schon im Anzug geboren worden. Noch wenige Wochen vor seinem Tod hat der damals 82-Jährige auf die Frage, wie lange er leben wolle, geantwortet: „Für immer natürlich“. „Da hat er seine Meinung am 7. November geändert“, meint Sven Görtz.
In seiner Hommage flossen die wichtigsten literarischen und musikalischen Eckdaten Cohens ein. Doch in erster Linie beschrieb Görtz den Menschen. Man hatte das Gefühl, er stellt einen alten Freund und wichtigen Wegbegleiter vor. Cohen als Förderer Anderer, der sein Leben zwischen Rückzug und Öffentlichkeit bestritt. Ein Mann der Extreme, der irgendwo zwischen absoluter Abgeschiedenheit und Öffentlichkeit hin und her sprang, der das Blitzlicht scheute und dennoch im Scheinwerferlicht der Musikindustrie stand. Cohen als introvertierter Dichter, der an Depressionen litt, sich immer wieder aus dem Musikgeschäft zurückzog, um dann mit einem Comeback die Charts zu stürmen. Eben ein Mann mit vielen Gesichtern.
Das letzte große Comeback wurde aus der Not geboren. Als Cohen 2004 seinen 70. Geburtstag feierte und den Ruhestand genießen wollte, musste er feststellen, dass seine ExManagerin sein gesamtes Geld veruntreut hatte. „Vor Gericht wurde ihm zwar Recht zugesprochen und seine Managerin verurteilt, aber das Geld war weg“, sagt Görtz. Cohen begann wieder zu musizieren. Er gab zwischen 2008 und 2013 über 400 Konzerte. Drei Wochen vor seinem Tod erschien sein letzte Platte: „You want it darker“.
Sven Görtz begleitet Cohens Lebenstationen mit Worten und Gesang. Mit Liedern, deren Sogwirkung sich der Zuhörer kaum entziehen kann. Die melancholischen Melodien und poetischen Worte, begleitet Görtz mit Gitarrenklängen, die satt vor sich hin plätschern und langsam ins Ohr kriechen, um sich wie ein wohlig, warmes Feuer irgendwo in der Bauchgegend niederzulassen und noch lange vor sich hin glimmen. Auch wenn Görtz nicht mit der sonoren Bassstimme Cohens sang, verfehlten „Hallelulja“, „First we take Manhatten“, „Bird on an wire“oder „Suzanne“ihre Wirkung nicht.