Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Verstaatlichung?
Baden-Württembergs SPD-Chefin greift die Logistikbranche wegen der Ausbeutung der Paketzusteller an
SPD-Politikerin Leni Breymaier wünscht sich Bundespost zurück
STUTTGART/AALEN - Die Bundesnetzagentur rechnet für 2017 mit rund 5000 Beschwerden zur Postzustellung – ein Anstieg um fast ein Viertel. Die ohnehin wegen niedriger Löhne in der Kritik und unter Druck stehenden Paketzustelldienste wie Hermes und DHL haben in den Wochen vor Weihnachten besonders viel zu tun. Und so passieren Fehler: Lieferungen kommen nicht an, werden falsch abgelegt oder Benachrichtigungskarten landen im Briefkasten, obwohl der Empfänger zu Hause ist.
Angesichts solcher Zustände fordert Baden-Württembergs SPD-Chefin Leni Breymaier eine Rückkehr zu alten Verhältnissen. „Wegen mir können wir gerne das alte Postmonopol wieder machen“, sagte die Landtagsabgeordnete aus Aalen am Montagabend in der Diskussionssendung „Hart aber fair“. „Warum fahren denn bei mir in der Straße, wo früher ein Postfahrzeug war, sechs Fahrzeuge ’rum? Die Leute, die auf dem Kutschbock sitzen und die Treppen rauflaufen müssen, verdienen einen Hungerlohn.“Die Privatisierung habe sich nicht rentiert und werde auf dem Buckel der Zusteller ausgetragen. Auf Nachfrage von Moderator Frank Plasberg bekräftigte Breymaier ihre Meinung: „Wir privatisieren was, das vorher gut funktioniert hat, damit einzelne Leute privates Geld verdienen“– nämlich die Chefs von DHL und Hermes, ergänzte sie.
Streit im Mindestlohn
Florian Gerster, Vorsitzender des Bundesverbands Paket- und Expresslogistik, wies die Kritik an Bezahlung unter dem Mindestlohn immer wieder zurück – die Rechtsverletzungen seien Ausnahmen. „Das sind keine Einzelfälle“widersprach Breymaier. Gerster erklärte die niedrigen Löhne vor allem mit der Tatsache, dass die Kunden nicht bereit seien für die Dienstleistung Auslieferung mehr Geld zu bezahlen. Wenn Onlinehändler die Kosten für Lieferungen und Retouren angemessen bepreisten, hätten diese Unternehmen einen klaren Wettbewerbsnachteil gegenüber Konkurrenten, die das nicht tun. Für Breymaier kein Argument: Die Sozialdemokratin hielt Gerster entgegen, dass kein Unternehmen gezwungen sei, in einer Branche wie der Paketzustellung zu arbeiten, in der es schwierig sei, rentable Ergebnisse zu erwirtschaften.
Baden-Württembergs Verbraucherschutzminister Peter Hauk (CDU) nannte den zunehmenden Ärger mit fehlerhaften Paketzustellungen in den „Stuttgarter Nachrichten“einen Nachteil der massiven Zunahme von Onlinebestellungen. Er forderte die Menschen auf, ihre Geschenke im örtlichen Einzelhandel zu kaufen – so habe man sie sicher und rechtzeitig daheim. Der Onlinehandel sei gerade im ländlichen Raum eine große Konkurrenz für die örtlichen Händler.