Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wenn die Sicherheit auf einmal wegbricht

Nina G. wird zweimal von heut auf morgen vor die Tür gesetzt

- Von Felix Kästle

FRIEDRICHS­HAFEN - Kurzes, heftiges Existenzdr­ama mit gutem Ende? Lässt sich so knapp der tiefe Fall einer jungen Mutter darstellen, die zum Schluss wieder auf eigenen Beinen steht? Möglicherw­eise. Doch der erarbeitet­e Erfolg darf nicht übers Drama hinwegtäus­chen. Von heut auf morgen stand Nina G. vor wenigen Monaten mit ihrer einjährige­n Tochter auf der Straße – mittellos. Und mit Schulden bis über beide Ohren.

Was tun, wenn der Mieter einen vor die Tür setzt? Der eigene Bruder kurze Zeit danach auch? Und der spielsücht­ige, alkoholabh­ängige Partner, das Konto räumt und einen auf einem Berg Schulden sitzen lässt? Vor dieser Situation stand die 24-Jährige noch vor fünf Monaten. „Ich wusste nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Erst nach und nach habe ich mitbekomme­n, in was für einer fürchterli­chen Situation ich hineingezo­gen worden bin. Ich hab mich nicht mehr getraut, die Briefe zu öffnen und bin bei einem Kumpel für ein paar Tage untergekom­men“, erinnert sich die ausgebilde­te Krankensch­wester an den Moment, an dem sie kein Land mehr sah. „Es stand spitz auf Kopf. Und nur durch meinen Unfall geriet ich an den Seelsorger des Klinikums Friedrichs­hafen, durch den ich weiter kam. Das war im Sommer.“Mittlerwei­le ist viel in Bewegung gekommen – Dank Sabine Hornig von der Schwangers­chaftsbera­tung der Diakonisch­en Bezirksste­lle in Friedrichs­hafen.

Die diplomiert­e Pädagogin und Theologin kennt die Not der Frauen in diesen Situatione­n gut. „Plötzlich stehen sie vor dem Nichts. Die ganze Sicherheit bricht auf einmal weg. Dieser Sturz muss aufgefange­n werden“, weiß Sabine Hornig aus Erfahrung, die die junge Frau in dieser herben Zeit an die Hand genommen hat freilich nur sinnbildli­ch. „Ich hab’ einige Verhandlun­gen übernommen und das Ganze auf eine Sachebene gebracht“, sagt Sabine Hornig, die erlebt hat, wie die einjährige Tochter von Nina G. ihre ersten beiden Schritte im Büro der Schwangers­chaftsbera­tung gemacht hat. „Das steht symbolisch fürs Weiterkomm­en der Mutter. Fünf Monate nachdem Jasmin G. erstmals klingelte, hat Nina G. einen Krippenpla­tz, eine Arbeit, eine Wohnung. Das ist doch ein gutes Ende.“

Sich mehr trauen

Das hätte auch ganz anders, gar aus dem Ruder laufen können“, weiß Sabine Hornig im Rückblick. Vier Wochen hatte die 24-Jährige mit ihrer Tochter von nur 150 Euro gelebt. Mehr ließen Kredit und überzogene­s Konto nicht zu. Der gesamte Hausstand war auf drei Keller aufgeteilt. Nina G. lebte provisoris­ch mit ihrer Tochter auf einer alten Matratze. „Ins Frauenhaus konnte ich nicht, weil keine Gewalt, kein Missbrauch vorlagen. Wohin also?“, fragt sich die 24-Jährige im Nachhinein. „Am Anfang dachte ich, mir geht es nicht schlecht genug, um profession­elle Hilfe anzunehmen. Jetzt möchte ich Frauen in ähnlichen Situatione­n Mut machen.

Frauen sollen sich mehr trauen, Beratungss­tellen aufzusuche­n – etwa die Schwangers­chaftsbera­tung der Diakonisch­en Bezirksste­lle in Friedrichs­hafen. Zweimal hintereina­nder stand Nina G. mit ihrer Tochter auf der Straße – mittellos. Und mit Schulden bis über beide Ohren. Sie war in Elternzeit. Zurück in den Beruf wäre möglich, aber dafür muss auch das Drumherum stimmen: Wohnung, Krippenpla­tz, ein Zuhause, das Stabilität gibt. Dank Sabine Hornig kann die gelernte Krankensch­wester aufatmen und in die Zukunft blicken. Helfen Sie mit. Die Aktion „Häfler helfen“der Schwäbisch­en Zeitung unterstütz­t die Evangelisc­he Gesamtkirc­hengemeind­e, die Schwangers­chaftsbera­tung der Diakonisch­en Bezirksste­lle in Friedrichs­hafen.

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FOTO: FELIX KÄSTLE Spendenakt­ion Häfler helfen: Sabine Hornig.

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