Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Neue Scheinwerfer bringen noch mehr Licht ins Dunkel
Entwickler und Hersteller wollen die Sicherheit weiter erhöhen – Nachrüstung mit den intelligenten Systemen oft nicht möglich
Anna Debus fühlt sich zurück in die Steinzeit katapultiert. Denn während ihr neuer Audi Q2 wie selbstverständlich mit LED-Licht die Nacht zum Tage macht, funzelt die gebrauchte Mercedes G-Klasse im Familienfuhrpark mit blassen Halogenscheinwerfern trübe in die Dunkelheit. Das muss zwar nicht unbedingt so bleiben, aber eine Nachrüstung ist meist ausgesprochen schwierig.
In kaum einer Disziplin hat sich am Auto in den vergangenen Jahren so viel getan wie bei den Scheinwerfern, sagt Hans-Georg Marmit von der Sachverständigenvereinigung KÜS. Schließlich spricht die Statistik eine deutliche Sprache: „Mit der Dunkelheit nimmt das Risiko eines Unfalls dramatisch zu“, sagt Mercedes-Lichtexperte Gunter Fischer. Obwohl die Verkehrsdichte nachts auf 20 Prozent absinkt, ereignen sich bei Dunkelheit 40 Prozent aller tödlichen Unfälle.
Die Entwickler und Hersteller aber steuern gegen: Erst kamen die Fernlichtassistenten, die – von einer Kamera gesteuert – automatisch auf die maximale Leuchtkraft wechseln konnten. Parallel dazu eroberten die gleißend hellen Xenon-Brenner, die seit einigen Jahren von noch helleren LED- oder Laserscheinwerfern ersetzt werden, den Markt. Im BMW i8 und Audi R8 leuchten die Laserscheinwerfer inzwischen bis zu 650 Meter weit.
Mehrere Dutzend Lichtquellen
Außerdem hat die Industrie sogenannte Matrix- oder Pixelscheinwerfer entwickelt. Sie haben nicht mehr eine, sondern zum Teil mehrere Dutzend Lichtquellen, die individuell angesteuert werden können. „So lässt sich der Lichtkegel bestmöglich der jeweiligen Verkehrs- und Witterungssituation anpassen“, sagt OpelSprecher Patrick Munsch. So leuchtet zum Beispiel der neue Insignia mit jeweils 16 LED-Elementen pro Scheinwerfer und strahlt bei Regen oder Nebel anders als in einer klaren Nacht. Er zieht den Lichtkegel an Kreuzungen in die Breite, wirft ihn auf der Autobahn weiter nach vorn und fährt auch bei Gegenverkehr mit vollem Fernlicht ohne zu blenden.
Während solche Systeme nach wie vor den Fahrzeugen in den gehobenen Klassen vorbehalten sind, machen sich die LED-Scheinwerfer mittlerweile bis herunter zu den Kleinwagen breit. So gibt es das beinahe taghelle Licht längst auch in Autos wie dem VW Polo oder dem Seat Ibiza. Dort sind die Ausstattungsraten nach Angaben von SeatSprecherin Melanie Stöckl höher, als der Hersteller angesichts von 595 Euro Aufpreis gedacht hatte.
Die Entwicklung ist damit aber noch lange nicht zu Ende. In ihren Labors arbeiten die Hersteller und ihre Zulieferer Nacht für Nacht an Scheinwerfern mit noch präziserer Verteilung. Denn während sie sich von einem Plus an Leuchtweite keinen echten Sicherheitsgewinn mehr versprechen, sehen sie in der besseren Ausleuchtung durchaus noch ein Ziel. Und sie wollen das Licht nutzen, um damit zu kommunizieren. Denn je feiner es gesteuert werden kann, desto leichter lassen sich damit Botschaften übermitteln – beispielsweise eine Warnung auf der Fahrbahn. So hat Mercedes kürzlich das sogenannte Digital Light vorgestellt, das mit mehr als einer Million Bildpunkte eine bessere Auflösung haben soll als ein HD-Fernseher.
Doch wer wie Q2-Fahrerin Debus bisweilen auf einen Youngtimer wie die G-Klasse umsteigt, wird von dieser Entwicklung nicht viel mitbekommen. Eine Nachrüstung mit den intelligenten Lichtsystemen ist nicht nur ausgesprochen aufwendig und teuer, sondern in der Regel schlicht nicht möglich, sagt Marmit. Die einzige, zumindest theoretische Möglichkeit sei eine Aufwertung der Lichtquelle: „Aber auch da ist Vorsicht geboten“. Denn etwa XenonUmbaukits suggerieren teilweise über eine E-Kennung eine Zulässigkeit, warnt Marmit. „Es handelt sich dabei aber nur um eine elektromagnetische Verträglichkeit des zugehörigen Steuergerätes. Die Leuchteinheit hat keine Zulassung.“
Auch bei LED-Scheinwerfern macht Marmit wenig Hoffnung: LED-Lichtquellen müssen manipulationssicher sein, wodurch ein Austausch nur legal möglich ist, wenn es sich um eine Einheit handelt, zitiert er die Gesetzeslage. Und solche Teile sind erstens teuer und zweitens selten verfügbar. Wer es trotzdem versuchen will, dem rät Marmit, grundsätzlich nur Lichtanlagen zu verwenden, die entsprechend geprüft und genehmigt sind: „Alle Beleuchtungseinrichtungen müssen einer nach ECE-Norm genehmigten Bauart entsprechen, das gilt für serienmäßig vorhandene wie auch nachträglich angebaute Komponenten.“(dpa)