Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Betrunkener 43-Jähriger belästigt Frauen
Richterin fällt mildes Urteil – Angeklagter hat keine Erfahrung mit Alkohol
TETTNANG - Ein 43-Jähriger ist wegen sexueller Belästigung vor dem Amtsgericht in Tettnang am Montagvormittag zu 110 Tagessätzen à acht Euro verurteilt worden. Der Angeklagte hat zwei Frauen, die mittlerweile 21 und 22 Jahre alt sind, ohne ihr Einverständnis unsittlich berührt und sie auf die Wange und in den Nacken geküsst. Während der Verhandlung beteuerte der afghanische Familienvater immer wieder, dass er unschuldig und die Anklage der beiden jungen Frauen eine Lüge sei.
Der Vorfall ereignete sich im März 2017. Der 43-Jährige traf am Hauptbahnhof in Friedrichshafen zufällig auf einen deutlich jüngeren Arbeitskollegen. Der Mann, der laut Einschätzung des Angeklagten um die 20 Jahre alt sei, war mit seiner gleichaltrigen Freundin sowie einem Paar unterwegs. Die beiden Frauen der Gruppe soll der 43-Jährige später sexuell genötigt haben. Die Fünf entschieden, gemeinsam zu einer Tankstelle zu gehen, um dort Wodka, einen Energydrink sowie Chips zu kaufen. „Wir wollten einfach ein bisschen was zusammen trinken“, sagte die 21-jährige Zeugin bei der Verhandlung. Die Gruppe ging in die Wohnung der 22-jährigen anderen Zeugin und versammelte sich dort in ihrem Zimmer. Die 22-Jährige lebte zu diesem Zeitpunkt in einer betreuten Wohngemeinschaft.
Dort habe ihm sein Kollege, so der 43-Jährige, ein „weißes Getränk“gereicht, was er getrunken und daraufhin Kopfschmerzen bekommen habe. Danach sei er wohl bewusstlos geworden. Er wisse nur noch, dass er dann nach Hause gegangen sei. „Es war das erste und letzte Mal, dass ich Alkohol getrunken habe“, sagte der Angeklagte. „Es war ein großer Fehler, dass ich mitgegangen bin. Ich habe mein ganzes Leben keine Probleme gehabt, nur an diesem einen Abend.“
Auch wenn die Erinnerungen der beiden Zeuginnen durch den Alkohol ebenfalls etwas lückenhaft waren, erinnerten sie sich noch daran, dass der 43-Jährige sie berührt habe. Der 43Jährige habe rechts neben der 22-Jährigen auf dem Bett gesessen und seine Hand auf ihren Schenkel gelegt. Nachdem er nicht auf ihre Bitten eingegangen sei und auch nicht aufgehört habe, als sie seine Hand wegnahm, sei die junge Frau aufgestanden und in die Küche gegangen.
Dorthin sei der 43-Jährige, der mit fünf seiner sieben Kinder und seiner Ehefrau in Friedrichshafen lebt, ihr gefolgt und habe sie in den Nacken geküsst. Bei der Anzeige bei der Polizei hatte die 22-Jährige zudem angegeben, dass der Angeklagte ihr an die Brust gefasst habe. Daran erinnerte sie sich bei der Verhandlung am Montagvormittag nicht mehr.
Nachdem ihn die 22-Jährige abgewiesen hatte, bedrängte der 43-Jährige die 21-Jährige, mit der er kurz darauf im Schlafzimmer der 22-Jährigen allein war. „Er war ziemlich betrunken und ich denke nicht, dass er in dem Moment wusste, was er tut“, sagte die 21Jährige. Der Angeklagte habe auch versucht, sie anzufassen und aufs Bett zu drücken. Daraufhin habe sie ihn weggestoßen und sei weinend aus dem Zimmer gelaufen. „Ich glaube nicht, dass er vom Kopf her dabei war“, betonte die 21-Jährige nochmals vor Gericht. „Ich weiß auch nicht, ob er verstanden hat, dass ich es nicht möchte. Ich habe mit ihm Deutsch gesprochen und er versteht das nur sehr schlecht“, sagte sie. Der Angeklagte habe danach die Wohnung der 22Jährigen verlassen.
Auch vor Gericht zeichneten sich die schlechten Deutschkenntnisse des Angeklagte ab. Ein Dolmetscher übersetzte ihm die gesamte Verhandlung auf Persisch. Fragen hatte der sagte die 21-jährige Zeugin. Angeklagte keine an die beiden jungen Frauen, er beteuerte aber nach jeder Aussage seine Unschuld. „Ich bin unschuldig, das ist nicht meine Welt“, sagte er immer wieder. Er sagte, dass es sein Fehler gewesen sei, überhaupt mit dem jungen Afghanen mitgegangen zu sein.
Der Staatsanwalt plädierte auf schuldig und stufte die Schilderungen der beiden jungen Frauen als glaubwürdig ein. Zugunsten des Angeklagten gehe er davon aus, dass er Alkohol nicht gewohnt sei. Er berücksichtigte, dass der Angeklagte, obwohl er kein Geständnis abgelegt habe, bereue, sich überhaupt in die Situation begeben zu haben. Er schlug eine Geldstrafe von 110 Tagessätzen zu je acht Euro vor.
Diesen Vorschlag griff Richterin Heike Jakob auf, obwohl der Gesetzesgeber bei einem solchen Delikt auch als Höchstmaß eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren möglich macht. Sie habe in ihrem Urteil berücksichtigt, dass der Mann aufgrund seines Kulturkreises nur wenige Erfahrungen mit Alkohol habe, begründete sie ihr Urteil. „Sie haben die Berührungen zwar bestritten, aber ich bin der Überzeugung, dass sich der Sachverhalt so zugetragen hat“, sagte Jakob zum 43-Jährigen gewandt. Schließlich haben die beiden jungen Frauen, so Jakob, keinen Belastungseifer gezeigt.
„Ich glaube nicht, dass er vom Kopf her dabei war“,